Lehre des Origenes
[Lehre] [Gott] [Christus] [Heiliger Geist] [Schöpfung] [Willensfreiheit] [Sündenfall] [Engel] [Sphären] [Mensch] [Tod] [Wiedergeburt] [Erlösung] [Sünde wider den Geist] [Nachtod]
Seine ihm eigene klare Schau und seine folgerichtige Denk- und Handlungsweise führten ihn zu höchsten einem Menschen möglichen Erkenntnissen. Zwar hat er die Mahnung des Evangelisten befolgt:
»Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht vor die Schweine!« (Mat. 7,6), indem er seine Aussagen nicht selten verschlüsselte; doch ist es heute möglich, sie auf Grund neuer Einsichten zu verstehen. Die grundlegenden Aussagen der Glaubensweisheit des Origenes über die ersten und letzten Dinge sind in folgenden Kapiteln dargelegt.
In den weiteren Kapiteln werden folgende Abkürzungen verwendet:
princ = Über die ersten Dinge/Peri Archon/de prinzipiis
Hom Jer = Homilien zu Jeremia
Cels = Gegen Kelsos/Contra Celsum
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Gott
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Gott, den wir unseren Vater nennen, ist der Ursprung aller Dinge (princ. I,1,6). Aus ihm ist alles geworden. Er ist ganz Geist, aber als solcher gleichwohl Person; er hat eine Gestalt. Gott ist das einzige seit Urewigkeit bestehende Wesen, ungeschaffen. Unser Zeitbegriff ist auf ihn nicht anwendbar.‘ Gott ist nur für einen reinen Geist erkennbar und kann nur von einem solchen geschaut werden (Cels. VI 17; Cels VI 69).
Origenes führt dazu aus: »Wenn wir uns nämlich überhaupt eine Vorstellung und einen Begriff von Gott machen können, so müssen wir notwendig annehmen, dass Gott in vielerlei Hinsicht weit erhabener ist als unsere Vorstellung. Es ist [vergleichsweise] so, wie wenn wir mit einem Menschen zu tun hätten, der kaum einen Lichtfunken oder das Licht der kleinsten Laterne anzuschauen vermag, und ihn, der mit der geringen Scharfe seiner Augen nicht mehr Licht fassen kann, als wir sagten, über die Helligkeit und den Glanz der Sonne belehren wollten. Müssten wir ihm nicht sagen: Der Glanz der Sonne ist unsäglich und unermesslich größer und erhabener als das Licht, das du siehst? So steht es auch mit unserer Vernunft, wenn sie in den Kerker von Fleisch und Blut eingeschlossen und entsprechend ihrer Teilhabe an diesem Stoff stumpf und träge geworden ist: Sie mag zwar im Vergleich zur übrigen fleischlich-körperlichen Natur bei weitem den Vorrang verdienen; wenn sie aber zum Geistigen emporstrebt und es zu schauen trachtet, dann hat sie kaum die Kraft eines Funkens oder einer Laterne. Was ist aber unter allen geistigen — das heißt nicht fleischlich-körperlichen — Dingen so erhaben über alles, so unsagbar und unermesslich überragend wie Gott? Seine Natur zu schauen, reicht die Schärfe einer menschlichen Vernunft nicht aus, mag sie auch noch so rein und klar sein.« (princ. I,1,5.)
Um diesen Sachverhalt noch deutlicher und anschaulicher vor Augen zu führen, fügt Origenes hinzu: »Unsere Augen können zunächst die Natur des Lichtes selbst — das heißt die Substanz der Sonne — nicht anschauen; wir können aber ihren Glanz oder die Strahlen betrachten, die etwa durch Fenster oder irgendwelche kleinen Lichtöffnungen einfallen, und daraus schließen, wie groß die glühende Masse sei, der das körperliche Licht entströmt. So sind auch die Werke der göttlichen Vorsehung und der kunstvolle Bau dieses Alls gleichsam Strahlen von Gottes Natur im Vergleich zu seiner Substanz und Natur selbst. Unsere Vernunft kennt also, da sie Gott nicht an sich, so wie er wirklich ist, betrachten kann, aus der Pracht seiner Werke und der Schönheit seiner Geschöpfe den Vater des Alls.« (princ. I,1,6.)
Gottes Wissen und Macht unterliegen aus Gottes Wesenheit heraus gewissen Einschränkungen. Aus folgenden vier Gründen ist nach Origenes die Macht Gottes eingeschränkt, und man dürfe nicht unter dem Vorwand frommer Scheu ihr diese Einschränkungen nehmen (princ. II 9,1):
Erstens ist sie begrenzt durch das Wesen Gottes: Gott kann nur, was er will. Zweitens durch die Logik: Die Macht Gottes kann keine Dinge hervorbringen, die in sich widersprüchlich sind. Mit anderen Worten:
Gott vermag nichts gegen seine Natur Gerichtetes zu bewirken. Alle Wunder sind im höheren Sinne natürlich, weil sie nach göttlichen Gesetzmäßigkeiten ablaufen. Drittens ist Gottes Macht begrenzt durch die Unmöglichkeit, Unbegrenztes umfassen und lenken zu können (princ. II 9,1). Hieraus folgt, dass alles Geschaffene seinem Umfang
nach begrenzt sein muss. Viertens wird Gottes Macht dadurch begrenzt, dass es unmöglich ist, einen Zweck rein und ohne störende Einflüsse zu verwirklichen.
Dementsprechend hat nach Origenes auch Gottes Wissen eine gewisse Schranke. Sie folgt insbesondere aus der Freiheit der Geister, die Gott ihnen verliehen hat. Wohl besitzt Gott die Fähigkeit des Vorherwissens; aber er weiß die Handlungen seiner Geschöpfe vorher, weil sie geschehen — sie geschehen nicht, weil er sie weiß.
In Gott sind Güte und Gerechtigkeit nicht zwei im Gegensatz zueinander stehende Eigenschaften, die in ihm nebeneinander bestehen könnten oder müssten; vielmehr sind sie ihm als Tugenden identisch:
Gott lohnt in Gerechtigkeit und straft in Güte. Erginge es allen Wesen gut, gleich wie sie sich verhalten, wäre dies ihnen gegenüber keine Güte; Güte ist vielmehr, wenn Gott straft, um zu bessern, abzuschrecken und vorzubeugen. In Gott sind weder Leidenschaften, Zorn und dergleichen, auch keine Vielheit von Tugenden, sondern als der Vollkommene ist Gott ganz Güte.
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Christus
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Christus, der eingeborene Gottessohn, »der Erstgeborene vor aller Schöpfung« (Kol. 1,15), den wir unsern Herrn nennen, ist — so lehrte Origenes — der einzige, vor Ewigkeiten aus Gott geborene Sohn Gottes.Also wurde Christus nicht etwa durch Adoption Sohn Gottes, sondern er allein ist Sohn Gottes von Natur aus (princ. I 2,4). Darum heißt er auch der ,Eingeborene‘ (princ. I 2,5). Christus ist das vollkommene Ebenbild Gottes (vgl. princ. I 2,6). Er ist die Weisheit Gottes, die Ausstrahlung seiner Vollkommenheit und Herrlichkeit, »geschaffen als Anfang der Werke Gottes« (Sprüche 8,22—25). Wenn nämlich »alles, was der Vater tut, auch der Sohn gleichermaßen tut« (vgl. Joh. 5, 19), dann wird dadurch, dass der Sohn alles so tut wie der Vater, das Bild des Vaters im Sohne nachgeformt, der ja aus ihm geboren ist (vgl. princ. I 2,6).
Christus ist nach Gott der höchste Geist. »Durch ihn ist alles geworden« (Joh. 1,3), ist die Schöpfung in ihrer Gestaltung entstanden. Gott salbte Christus »mit Freudenöl« zum König seiner Geschöpfe (princ. II 6,4).
Christus ist ,Mittler‘ zwischen Gott und Schöpfung, also auch zwischen Gott und der Welt. Dies ist von Gott aus in Richtung auf die Welt gesehen. Es gilt dies aber auch in umgekehrter Hinsicht, von der
Welt zu Gott hin; denn nur durch Christus ist den Geschöpfen Erkenntnis des Vaters möglich. Nur soweit Gottes Sohn von uns erkannt wird, besitzen wir Gotteserkenntnis.
Christus war schon Mittler auf dem Berg Sinai, als er Mose berief. Auch sprach Christus durch König Salomo (princ. I 2,2) und die Propheten (Jesaia, Jeremia, Ezechiel und andere).Origenes würdigte zwölf Propheten des Alten Bundes in mehr als fünfundzwanzig seiner Bücher.Die Propheten waren reine — nicht am Abfall beteiligte — Geister in Menschengestalt. Sie hatten die Einkleidung in irdische Leiber freiwillig auf sich genommen. Christus entsandte sie zu dem von ihm auserwählten Volk. Um die Erlösung zu verwirklichen und dadurch die Rückkehr der Abgefallenen ins Reich Gottes zu ermöglichen, musste Christus selbst als Mensch auf die Erde kommendenn die Wiederverbindung der Abgefallenen mit Gott war nicht denkbar, ohne dass ihnen der Weg dahin vermittelt wurde. Christus, so lehrte Origenes, zeigte uns diesen Weg aus der Substanz seiner Seele. Es war für ihn nicht naturwidrig, einen Körper wie den unsrigen anzunehmen. Zudem war er, der Gott am nächsten stand, im höchsten Maße geeignet, diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. princ. II 6,3).
Christus hat sich herabgelassen, die ganze Fülle seines Wesens in Menschengestalt in Erscheinung zu bringen, um zu beweisen, dass der Mensch fähig sein kann, ganz göttlich zu leben und dies selbst bei größten Anfechtungen durchzuhalten. Hierin erblickte Origenes das Höchste der Leistung, die Christus auf Erden vollbrachte. Sie bewies, dass es dem Menschen möglich ist, seinen Geist ganz Gott zuzuwenden; denn Jesus Christus hatte wahrhaft gelitten, nicht etwa nur dem Scheine nach, und er ist wahrhaft den allen Menschen gemeinsamen Tod gestorben.Dann aber ist er nach seinem siegreichen Kampf mit den geistig Toten in der Hölle seinen Jüngern [als Auferstandener] wahrhaft erschienen und verkehrte mit ihnen bis zu seiner Rückkehr in den Himmel.
Das Wort, das Christus durch seine Menschwerdung der Welt brachte, war für diese eine unermessliche Hilfe: Jeder kann jetzt sein Heil wiederfinden. Die Freiheit geht voran, und die unterstützende Gnade folgt bei einem gottgefälligen Denken und Handeln.
Auf diesem Weg ist nach Origenes für den Menschen das erste der Glaube an das Wort Christi. Darauf folgt die religiöse Betrachtung der sichtbaren Dinge. Von hier aus schreitet die Seele voran wie auf den Sprossen einer Leiter und dringt vor bis zur vernünftigen Substanz der Worte Christi — das heißt bis zu deren. tiefstem Wahrheitskern. Damit geht die Seele ihren Weg wieder zurück nach oben — denselben Weg, den sie einst als fallende Seele (beim Engelsturz) abwärts durchlaufen hatte.“ Nur über Christus erreicht unser Gebet Gott, und auch nur dann, wenn es in einem heiligen Geist gesprochen wird.
Aus seiner Sicht heraus erkannte Origenes auch, dass die Art der Körperlichkeit Christi auf Erden als Jesus von Nazareth verschieden war von der, in welcher er nach seinem Kreuzestod den Jüngern erschien. Von der irdischen Geburt bis zum Kreuzestod war Christus den Menschen in allem gleich; doch die Körperlichkeit, in welcher Christus danach seinen Jüngern erschien, war eine aus geistigen und irdischen Bestandteilen gemischte Materialisation und einzig zum Zweck des Beweises seines Weiterlebens zeitweilig aus Christi geistiger Kraft aufgebaut. Daher konnte Christus »bei verschlossenen Türen« jeweils ganz überraschend seinen Jüngern erscheinen (vgl. Joh.20, 26).14
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Heiliger Geist
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Der heilige Geist oder Geist der Wahrheit ist — nach Origenes — nicht nur eine (einzige) Person, sondern dieser Ausdruck umschreibt alle jene Geistwesen (Engel), die Christus ,dienstbar‘ sind, also in seinem Sinne wirken und tätig sind, also mit ihm eins im Geist und in der Wahrheit sind. Diese heiligen Geister werden, wenn sie nicht namentlich genannt werden oder wenn ihr Name deshalb nicht angeführt wird, weil sie in ihrer dienenden Funktion aufgehen wollen oder weil sie einem Missbrauch ihres Namens durch falsche Propheten vorzubeugen bestrebt sind, in der Schrift einfach als ,Geist Gottes‘ oder als ,Geist der Wahrheit‘, ja verschiedentlich sogar nur als ,der Geist‘ bezeichnet.
Solche heiligen Geister haben sich im Alten wie im Neuen Bund im Auftrage Christi bekundet.Christus selbst sprach durch Menschen jedoch nur im Alten Bund, nämlich durch die von ihm entsandten Propheten (vgl. Mat. 24,5; Mark. 13,6; Luk. 21,8). So sagt der Apostel (1. Kor. 2, 10): »Uns hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.« Und der Herr sprach zu seinen Jüngern (Joh. 16, 12f.; 14,26; 15,26): »Ich habe euch noch vieles zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber der Tröster kommt, ein heiliger Geist, wird er euch alles lehren und euch erinnern an alles, was ich euch gesagt habe; denn er redet nicht von sich aus, sondern was er [von mir] hört, wird er reden.« (Vgl. princ. 1 3,4.) Von dem Wesen eines heiligen Geistes kann aber nur der eine Ahnung haben, der mit dem Gesetz und mit den Propheten vertraut ist (vgl. princ. I 3, 1).
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Schöpfung
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Die Schöpfung besteht nach Origenes aus einer zwar unausdenkbar großen, aber doch nicht unendlichen Anzahl von Wesen. Als Kern ihres Seins bergen sie in sich ein Teilchen göttlichen Lichts — einen göttlichen Lichtfunken. Dieser ist trotz der Ferne der Menschen von Gott ein ihnen ungeschmälert verbleibendes Erbe Gottes und verbürgt ihre geistige Unsterblichkeit.‘
Die irdische Natur, Sonne, Mond und Sterne sind bloße Abbilder der geistigen Schöpfung. Also gibt es auf Erden »gar nichts Neues unter der Sonne« (princ. II 9,1; III 5,3).
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Willensfreiheit
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Sämtliche Geschöpfe besitzen freien Willen, nach dem sie ihre Lebensbahn gestalten können. Hieraus entsteht die bunte Mannigfaltigkeit der Welten mit allen ihren Gegensätzen und Entwicklungsstufen.Die Geschöpfe werden eben nicht durch einen Kreislauf, der nach mehr oder minder langen Zeiträumen in dieselbe Bahn zurückkehrt, dazu getrieben, dies oder jenes zu tun oder zu begehren; vielmehr richten sie den Lauf ihrer Handlungen dahin, wohin sie ihr persönlicher freier Entschluss lenkt (princ. II 3,4).
Die Fähigkeit zur richtigen Entscheidung sah Origenes angesichts der Einflüsse der »feindlichen Mächte« auf unsere eigenen Entscheidungen wie folgt:
Es gibt Verfehlungen, die wir ohne jegliche Beeinflussung durch die feindlichen Mächte begehen; es gibt aber auch Verfehlungen, die sich auf ihr Anstiften hin ins Ungeheure und Maßlose steigern. Die »Gedanken«, die »aus unseren Herzen kommen« (vgl. Mat. 15, 19; Mark. 7,21) — sei es, dass wir uns irgendwelcher Ereignisse erinnern, sei es, dass wir irgendwelche Dinge oder Zusammenhänge betrachten —, gehen, wie wir selber merken, manchmal aus uns selbst hervor, manchmal werden sie von den feindlichen Mächten erregt; zuweilen aber werden sie uns von Gott oder von seinen heiligen Engeln eingegeben.
Diese Aufgliederung könnte — so Origenes — als willkürliche Erfindung erscheinen, bestätigte sie sich nicht durch das Zeugnis der Heiligen Schrift selbst: Dass ein Gedanke aus uns selbst entstehen kann, bezeugt David in den Psalmen (vgl. Ps. 76,11) mit den Worten: »Denn der Gedanke des Menschen preist dich, und das, was vom Gedanken zurückbleibt, feiert dich.« Dass er aber oft von feindlichen Mächten kommt, bezeugt Salomo folgendermaßen (Pred. 10,4): »Wenn ein Geist [aus den Scharen] dessen, der Herrscher [dieser Welt] ist, über dich kommt, so verlasse deinen Posten nicht; denn Gelassenheit macht große Verfehlungen wett.« Dass ein Gedanke aber auch von Gott kommen kann, bezeugt wiederum David in den Psalmen folgendermaßen: ,,Selig der Mann, dessen Begreifen von dir ist, Herr; Stufen des Aufstiegs sind in seinem Herzen.« (Vgl. Ps. 84,6.) Sagt doch auch der Apostel (Paulus, vgl. 2. Kor. 8,16): »Gott hat dem Titus ins Herz gelegt.« (princ. III 2,4.)
Man muss indessen annehmen, so fährt Origenes fort, dass all das Gute und Böse, das unserem Herzen eingeflüstert wird, nichts anderes bedeutet als einen Anreiz, der uns zum Guten oder Bösen veranlassen will. Es ist uns aber möglich, wenn die böse Macht uns zum Schlechten anzureizen beginnt, diese bösen Einflüsterungen von uns zu weisen, den verwerflichen Einflüssen zu widerstehen und nichts Schuldhaftes zu begehen. Freilich kann es umgekehrt dahin kommen, dass wir, wenn die göttliche Macht uns einen Anstoß zum Besseren hin zuteil werden lässt, diesem Anstoß keine Folge leisten; denn in beiden Fällen bleibt uns die Fähigkeit zur freien Entscheidung bewahrt. (princ. III 2,4.)
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Sündenfall
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Die Willensfreiheit wurde von einer unüberschaubaren Anzahl Wesen vor einer für uns unvorstellbar langen Zeit dazu missbraucht, sich von Christus abzuwenden, dem man vor Gott Gehorsam gelobt hatte. Man anerkannte Christi höchste Stellung nach Gott nicht mehr und wollte eine neue Ordnung der Würden und Herrlichkeiten unter Luzifers Führung. Trägheit, Überdruss an der Mühe, das Gute zu bewahren, und Nachlässigkeit gegenüber dem Bessern gaben den Anstoß zur Entfernung vom Guten. Vom Guten abzulassen bedeutet jedoch nichts anderes, als ins Schlechte zu geraten (princ. II 9,2), in die Gegenmacht des Guten (vgl. princ. 1 5,4). Erster und Anführer dieser Gegenmacht war der, welcher einst der »strahlende Morgenstern« (Jes. 14,12—22) war und dann, indem er sich vom Guten abwendete, zum Satan wurde (princ. 1 5,5), zum Widersacher Christi.
Dieser erste Sündenfall hatte den Engelsturz zur Folge (vgl. Ez. 28, 11—19; Luk. 10, 18; 0ff. 12, 7f.). Der Grad der Verschuldung an diesem ersten Sündenfall entschied — so Origenes — bei jedem einzelnen Wesen über sein weiteres Geschick. In ihrer ursprünglichen Schönheit waren die Geschöpfe ihrem Wesen nach von göttlicher Vernunft erfüllt gewesen. Infolge des Abfalls erkalteten sie (in ihrer Seele) und erhielten dadurch geistige Körper aus dichterer (Geist-) Materie: Sie wurden zu ätherischen Gestalten der Unterwelt. Je mehr sich das einzelne Wesen gegen Christus aufgelehnt hatte, um so dichter wurde jetzt seine (geistige) Materie und um so abstoßender und widerwärtiger die Gestalt seines geistigen Leibes.
Beim ersten Sündenfall gab es aber nicht nur treue und ungehorsame Wesen, sondern noch eine dritte Gruppe: die Unentschiedenen Auch diese weder treu gebliebenen noch untreu gewordenen Wesen ,kühlten‘ sich ab. Sie verharren nach Origenes in einem Zwischenreich.Es untersteht nicht der Herrschaft des Anführers der Untreuen, also Luzifers, der einst Licht war (princ. 1 5,5). Die Wesen in diesem Zwischenreich brauchen zur Besserung nicht menschliche Körper anzunehmen. Die Ungetreuen hingegen gelangen durch wohltätige Einflüsse (der Himmelswelt) und durch ihren Willen zur Änderung ihres Zustandes früher oder später zur Stufe des Menschseins (princ. I 6,3). Sie alle werden sowohl in den ,sichtbaren und zeitlichen‘ Welten wie in den ,unsichtbaren und ewigen‘ nach ihrem geistigen Rang, nach ihrem Verhältnis zu Gott, nach ihrer Wesensart und nach ihren Verdiensten eingestuft und behandelt.
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Engel
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Vor dem ersten Sündenfall waren alle Geister Engel gewesen. Danach wurden die Ungetreuen zu bösen Geistern und unreinen Dämonen (princ. 1 5,2). In der Schrift werden sie auch Engel des Teufels genannt (princ. 1 6; Mat. 25,41). Die Treugebliebenen wurden fortan als heilige Engel und Engel Gottes bezeichnet.
Die heiligen Engel haben ihre Ämter in der Ordnung Gottes. Origenes unterscheidet bei ihnen: selige Throne (Gerichts- und Herrschermächte); erhabene Herrschaften; glorreiche Fürstentümer; heilige Gewalten (princ. 1 5, 1; 5,3 vgl. auch Kol. 1, 16). Die Eigenschaft dieser heiligen Engel, die sie in den Stand setzt, solche Macht, Würde und Herrlichkeit zu besitzen, folgt aus ihrem Rang und ihren Tugenden.
Der Rang des Geistes ist bestimmt durch seine Abkunft und sein Alter; beides ist maßgebend für die Stärke seines Lichtfunkens. Die Würde eines Geistes gründet auf seinem Wesen, nämlich seinen abstammungsmäßig und persönlich erworbenen Tugenden und seinen Fähigkeiten, die er sich zeit seines Daseins selber erarbeitet hat. (Vgl. princ. 1 5,3.) Im Gegensatz zu den verliehenen Eigenschaften wurden die selbst erworbenen Fähigkeiten den Geistern beim Sturz aus den Himmeln nicht genommen.
Weder »die Heerscharen der heiligen Engel« noch die »Throne, Herrschaften, Reiche und Gewalten« (vgl. Luk. 2,13 und Kol. 1,16) vermögen den Anfang aller Dinge und das Ende des Alls vollkommen zu wissen. Doch ist einsehbar, dass die aufgezählten heiligen Geister und Mächte den Ursprüngen selber am nächsten sind; daher können sie höhere Erkenntnis erlangen als die übrigen. Aber soviel diese Mächte durch Offenbarungen des Sohnes Gottes erkennen mögen -sehr viel werden sie zwar begreifen können, und die höheren unter ihnen viel mehr als die niederen —, alles zu erfassen ist auch ihnen unmöglich; denn es steht geschrieben: »Das meiste von Gottes Werken liegt im Verborgenen.« (princ. IV 3, 14.)
Jedem gläubigen Menschen, mag er in der Kirche auch der ,Kleinste‘ (Jüngste) sein (vgl. Mat. 11, 11), steht nach Origenes ein Schutzengel zur Seite. Wird der Schützling durch Ungehorsam einer solchen Behütung unwürdig, hält dieser Engel Gottes Abstand von ihm (princ. II 10,7).
Oft findet zwischen guten und bösen Geistern ein Ringen um den Menschen statt. Die Art dieser Kämpfe muss man sich nach Origenes so vorstellen, dass Verluste, Gefahren, Verleumdungen und Schande gegen uns ins Werk gesetzt werden. Die feindlichen Mächte zielen dabei nicht lediglich darauf ab, dass uns dieses Unheil trifft, sondern sie wollen uns dadurch zu Zorn und Wut, zu übersteigerter Trübsal oder zu äusserster Verzweiflung reizen, oder, was noch schlimmer ist: Sie möchten erleben, dass wir, erschöpft und des Lebens überdrüssig, uns hinreissen lassen, gegen Gott zu hadern und ihm vorzuwerfen, er lenke das menschliche Leben nicht nach Recht und Billigkeit (princ. III 2,6).
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Sphären
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Von den lichterfüllten Sphären der Himmel mit den sie bewohnenden schönen geistigen Wesen über das Zwischenreich mit seinen ätherischen Gestalten, über die Erdenmenschen mit ihrer Körperlichkeit und ihren verschiedenen Rassen bis hinab zu den Dämonen und Teufeln der Unterwelt besteht eine unübersehbar grosse und verhältnisgerecht abgestufte Mannigfaltigkeit der Körperformen und Zustände.
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Mensch
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In jedem von uns — so Origenes — sind zwei ,Menschen‘: der äußere Mensch und der innere Mensch (Röm. 7,22; 2. Kor. 4,16). Augen, Ohren, Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn besitzt nicht nur der äußere Mensch, sondern auch der innere (der in uns wohnende Geist). Da man alle Merkmale des sinnenhaft wahrnehmbaren Körpers auch im inneren Menschen wiederfindet, gilt dies nicht nur für die Gliedmassen des Menschen, sondern — unter anderem — auch für das Blut.
Das Blut ist Träger der von der Seele ausströmenden Lebenskraft. Die Seele im inneren Menschen ist — wie dieser selbst — unsterblich; sie stirbt also nicht mit dem irdischen Leib. Solange wir »als Erdenbürger im [irdischen] Körper wohnen, sind wir ausgebürgert aus dem Reiche des Herrn« (vgl. 2. Kor. 5, 8).22 Außerdem büßen die eingekörperten Wesen durch die Natur der grobstofflichen Materie an Schärfe des Denkens ein. Erst wenn sie einmal keinen irdischen Leib mehr annehmen müssen, sind sie von jeder Beeinträchtigung und Störung dieser Art frei (princ. II 3,2).
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Tod
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Der Begriff ,Tod‘ hat in der Bibel verschiedene Bedeutungen. Vor allem gilt es, zwischen dem irdisch-leiblichen Tod (des äußeren Menschen) und dem geistigen Tod (des inneren Menschen) zu unterscheiden. Es ist also zu unterscheiden zwischen dem Tod, den jeder Mensch bei seinem Abscheiden von der Erde stirbt, und dem geistigen Tod, den wir beim ersten Sündenfall durch unsere Trennung von Gott gestorben waren — oder bei schwerer Versündigung abermals sterben. Beim Tod, den jeder Mensch stirbt, ist ein seligmachender — also mit Gott versöhnender — Tod jener, den ein Mensch, Christus nachlebend, für seinen Glauben stirbt, wie die Apostel es als Märtyrer taten.
Christus hat — so Origenes — durch seine Bewährung als Mensch auf Erden in der Gottestreue bis in den Kreuzestod die Voraussetzung für die Versöhnung aller Abgefallenen mit Gott geschaffen. Christus hat uns das Recht der Kindschaft Gottes und damit der Heimkehr ins göttliche Reich zurückerrungen, das wir durch unsere Untreue einst verwirkt hatten.
Unsere Erde ist für die durch Christus erlösten Höllenbewohner ein Himmel; aber den nicht gefallenen Himmelwesen muss sie als Hölle erscheinen.
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Wiedergeburt
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Das ,Auf- und Niedersteigen‘ der Seelen aus bzw. in mehrfache(n) Erdenleben ist nach Origenes nicht dem Zufall anheim gegeben, sondern wird von der Gotteswelt geleitet. Es ist kein (ewiger) Kreislauf, wie die Pythagoreer annahmen- — was vor Christi Erlösungstat gar kein so abwegiger Gedanke war (vgl. Cels. V21). Das ,Auf- und Niedersteigen‘ der Seelen dient dem Aufstieg und der Wiedereingliederung der Abgefallenen in die himmlische Hierarchie. Dies kann jedoch nicht durch Zwang oder übermäßige Beeinflussung erfolgen, denn die Wesen haben ihren freien Willen. Gott wählt den Weg der Erziehung durch Erfahrung und Belehrung, und da der innerste Kern aller Geschöpfe göttlich ist, darf er der endlichen Wirkung seines Appells an ihre ursprüngliche sittliche Güte gewiss sein.
Kommentar
des Arbeitskreises Origenes zu der immer wiederkehrenden Streitfrage:
Hat Origenes die Wiedergeburt tatsächlich gelehrt?
Origenes, in griechisch geschriebenes frühes Hauptwerk „peri archon“, ist abgesehen von einigen wenigen Teilen, nicht mehr im Original vorhanden. Nur eine veränderte lateinische Übersetzung „de principii“ des Rufinus (345-411) wurde bis in unsere Zeit gerettet. Rufinus hatte nach eigenem Bekunden „anstößige Stellen“ weggelassen oder verändert, wozu 200 Jahre nach Origenes u.a. die Wiedergeburtslehre gehörte. Dass Origenes diese in seinem Frühwerk „peri archon“ tatsächlich vertreten hat, kann nur aus Zitaten anderer Autoren erschlossen werden.
Als zuverlässig bzgl. korrekter Zitate gilt Hieronymus, der auch selbst „peri archon“ ins Lateinische übersetzte. Leider ist dieses Werk auch verloren gegangen. Das folgende Origeneszitat verdanken wir einer erhaltenen Schrift des Hieronymus „Gegen Johannes von Jerusalem“ , Abschnitt 19 in der er Origenes mit Quellenangaben zitiert, die eine Textrekonstruktion dieser Stelle ermöglichte. In der Übersetzung des Rufinus fehlt sie. Die Theologen Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp haben in bewundernswerter Kleinarbeit den Ursprungstext aus der Übersetzung des Rufinus und den Zitaten verschiedenster Autoren rekonstruiert. Daraus entstand 1976 das Buch „Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien“ in Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.
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princ II9,6-7 Seite 415 ist in der Übersetzung des Rufinus erhalten geblieben. In diesem Abschnitt benutzt Origenes die alttestamentarische Geschichte von Esau und Jakob als Beispiel für ein (scheinbar) ungerechtes Leben. Dort erschleicht sich Jakob das Erstgeburtsrecht durch eine Täuschung.
Origenes schreibt dazu:
Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne!…. Wir müssen nur annehmen, dass er [Jacob] auf Grund von Verdiensten eines früheren Lebens ….dem Bruder vorgezogen wurde.
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Die folgende Stelle steht im rekonstruierten Text von peri archon:
Sophronius Eusebius Hieronymus (347-420)
princ I 5,3 entsprechend der Textrekonstruktion von Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp nach Epistula 124,3 (den ganzen Abschnitt können sie hier lesen).
Alle.. Geschöpfe gleiten, wenn sie in Nachlässigkeit verfallen, allmählich auf niedere Stufen herab und nehmen Körper an je nach Art der Orte …und wenn sie in die Nähe der Erde kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Körpern, um schließlich an menschliches Fleisch gefesselt zu werden…..Dabei wechselt er seinen Körper ebenso oft, wie er seinen Wohnsitz beim Abstieg vom vom Himmel zur Erde wechselt.
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ein weiteres Zitate verdanken wir
Theophilus von Alexandrien (Bischof von Alexandrien, 385-412):
(princ I, 8 S.277-279 Anhang I, Nr. 7, Brief des Theophilus von Alexandrien ( gest. 412) , Auszug dort zitiert aus Epistula 98,11) Was aber soll es bedeuten, wenn er [Origenes] erklärt, die Seelen würden wiederholt an Körper gefesselt und wieder von ihnen getrennt.. ?
Interessant ist, dass Theophilus nach der Bedeutung dieser Stelle fragt und keinen weiteren Kommentar dazu abgibt. Es scheint, dass Theophilus mit diesem Satz gar nichts anfangen konnte. Wiederholte Erdenleben waren damals – im Gegensatz zu heute- nie ein gesondertes Thema von theologischen Auseinandersetzungen, auch nicht in der Auseinandersetzung mit der Gnosis.
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Im einleitenden Text seines Ediktes von 543 schreibt
Kaiser Justinian (483-565)
(zitiert aus F. Diekamp, Die origenistischen Streitigkeiten im sechsten Jahrhundert, Verlag der Aschendorffschen Buchhandlung Münster 1899, S. 46):
sinngemäße Zusammenfassung durch Diekamp: Von den geistigen Wesen ist ein Teil, wie er [Origenes] meint, in Sünde gefallen und zur Strafe in Leiber gebannt. Nach dem Maß ihrer Sünden werden sie sogar zum zweiten und dritten Male und noch öfter in einem Leibe eingekerkert, um nach vollendeter Reinigung in ihren früheren sünde- und leiblosen Zustand zurückzukehren.
Diese Darstellung aus dem Einleitungstext des Ediktes gegen Origenes zeigt, dass Kaiser Justinian die Wiedergeburtslehre gekannt und dem Urheber Origenes zuordnet hat . In den darauf folgenden 9 Anathematismen (die sie hier nachlesen können) kommt aber kein Satz vor, der speziell die Wiedergeburtslehre mit dem Anathema belegt. Da mit dem Absatz 1 aber jegliche Präexistenz mit dem Anathemna belegt wird, ist damit auch die Wiedergeburtslehre gemeint gewesen.
Da Origenes 300 Jahre vor Kaiser Justinian gelebt hat, wird von den meisten Forschern angenommen, dass Justinian in erster Linie die zeitgenössischen Anhänger der origenistischen Lehre treffen wollte und man aus den Inhalten der 9 Anathematismen nicht schließen kann, dass Origenes dies genau so gelehrt hätte sondern dass dies eher ein Spiegelbild des zeitgenössischen Origenismus war.
Das Werk peri archon ist ein frühes Werk des Origenes, das vermutlich zwischen 212 und 215 in Alexandien entstanden ist. Nach einem Bericht des Hieronymus in Epistula 84,10 war dieses Werk von Origenes nur für einen kleinen Kreis gedacht, ein Freund und Gönner habe es erst später (etwa um 230), allgemein bekannt gemacht.
In den anderen, überwiegend späteren Schriften des Origenes ( Contra Celsum I/20 und Matthäuskommentar III, VIII und X ) finden wir Stellen in denen er sich in polemischem Stil gegen die Wiedereinkörperung ausspricht, was gar nicht zu seinem besonnen und abwägenden Stil in „peri archon“ passt. Die Antwort auf diese Widersprüchlichkeit muss offen bleiben. Ob Origenes in seiner Frühphase dem Gedanken einer Wiedergeburt nahe stand und später einen Gesinnungswandel durchgemacht hat, ob er sich in diesen Schriften gegen nur einen endlosen Seelenwanderungsgedanken aussprach oder ob er nur im engem Kreis von ausgewählten gebildeten Schülern sein weitreichendes Weltbild ausgebreitet hatte das dem weniger Gebildeten nicht vermittelbar gewesen wäre, bleibt historisch im Dunkel. Eine weitere These dazu hat Till A. Mohr in „Kehrtet zurück ihr Menschenkinder“ vorgelegt: >>Obwohl die Reinkarnationslehre nahtlos in das origeneische System integrierbar gewesen wäre, hat sich Origenes dagegen gewehrt, weil er den Widerspruch zum Glauben an die leibliche Auferstehung sah. Obwohl er sich selbst sehr schwer mit diesem Glauben tat, hatte er trotzdem bis zu Ende daran festgehalten<<.
Unbestritten historisch verbürgt ist, dass Anhänger des Origenes die Lehre von der Wiedergeburt vertraten und sich dabei auf Origenes beriefen.
Aufgrund dieser og. Widersprüche und der unzureichenden Quellenlage wird von einigen Theologen behauptet dass Origenes zu keiner Zeit die Wiedergeburt je für möglich gehalten hätte und betonen die Stellen der späteren Texte. Sie argumentieren, Autoren der nächsten Jahrhunderte hätten zwischen dem Origenismus und Origenes nicht mehr unterscheiden können und so fälschlicherweise Origenes eine Lehre unterstellt, die erst die Origenisten entwickelt hätten.
Andere Meinungen, so auch unsere vom Arbeitskreis Origenes, betonen den frühen Origenes mit seinem in „peri archon“ dargelegten schlüssigen Weltbild, das trotz aller Entstellungen der Texte noch erkennbar bleibt. Darin ist die Wiedergeburt eingebettet in seine Lehre von der Präexistenz, seiner Engellehre und seiner Lehre einer Kosmologie.
Das Weltbild des Origenes kann in Kurzform so beschrieben werden: Der Ursprung aller Wesen geht von Gott und nichtmateriellen harmonischen Lichtwelten aus. Die von Gott gegebene geistige Freiheit verbunden mit Schöpfungskraft führen bei einem Teil der Wesen zu Abweichungen vom Schöpfungsplan. Je disharmonischer die Schöpfungen werden, desto enger führt der göttliche Plan die Geschöpfe. In den extremsten Abweichungen, das heißt in der tiefsten Stufe des Falles, werden die ursprünglichen Engel zu Dämonen. Die materielle Welt (erst hier setzt die naturwissenschaftliche Kosmologie mit dem Urknall ein) schafft Gott als Ort der härtesten Läuterung und Bewährung. Darin inkarniert werden nach göttlichem Plan nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern primär die Rückkehrwilligen aller Fallstufen und zwar so oft, wie diese die harte Schule benötigen. Auf diesem Wege können auch aus Dämonen wieder Engel und Bewohner der harmonischen himmlischen Lichtwelten werden. Christus selbst musste als Mensch auf die Erde kommen,denn die Wiederverbindung der Abgefallenen mit Gott ist nicht möglich, ohne dass ihnen der Weg dahin vermittelt wird. Christus, so lehrte Origenes, zeigte uns diesen Weg mit der Substanz seiner Seele.
[Lehre] [Gott] [Christus] [Heiliger Geist] [Schöpfung] [Willensfreiheit] [Sündenfall] [Engel] [Sphären] [Mensch] [Tod] [Wiedergeburt] [Erlösung] [Sünde wider den Geist] [Nachtod]
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Erlösung
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Zur Erlösung der seufzenden Kreatur von ihrer Trennung von Gott —der Folge des ersten Sündenfalls, also jener Sünde, durch die man für Gott starb (Origenes meint die Todsünde des Abfalls) — nahm Christus die Menschwerdung auf sich.Durch sein Leben und Sterben als Mensch auf Erden, wobei er im Gegensatz zu allen anderen in seiner vollen Hingabe an Gott nie schwankend geworden war, stellte Christus die Verbindung seiner von ihm abgefallenen Schöpfung mit Gott wieder her— diese Auffassung Origenes‘ haben wir bereits kennen gelernt. Außerdem errang sich Christus dadurch — geistig gesehen — ein solches Verdienst, dass ihm die Rückführung aller Gefallenen in die Himmel, aus denen sie stammen, zugesagt werden musste.
Nach seinem Kreuzestod wurde Christus ins Paradies geleitet (vgl. Luk. 23,43) — also in jene geistige Welt, die einst für Adam und Eva geschaffen wurde. Von dort ist Christus »niedergefahren zur Hölle«, nämlich zum Kampf mit seinem Widersacher, dem Satan, dem Herrscher des Totenreiches. In diesem Kampf von Geist zu Geist obsiegte Christus. Dadurch konnte er die Seelen der wieder gerecht Gewordenen im Hades (in der Vorhölle) befreien; sie wurden damit »zum Leben zurückgeholt« (Sermon Alexanders). Alsdann stiegen die so »von den Toten Auferstandenen« und ,der Erde Erkauften‘ (vgl. 0ff. 14,3) mit Christus in das ,himmlische Jerusalem‘ auf (Heb. 12, 22). Einst waren auch ihre Leiber die ,Gräber‘ (Mat. 27,52) ihrer sündigen Seelen gewesen.
Durch den Ruf Christi wurden viele weitere auferweckt, nämlich solche, die noch nicht wieder gerecht geworden und damit der ,Erde nicht erkauft‘ waren. Ihre Leiber wandelten sich ebenfalls und auch sie werden alle schließlich zu Heiligen. (Die Urchristen bezeichneten alle als Heilige, die an Christus glaubten.) So berichtet also Matthäus 27,52—53 einen Vorgang, der sich seither — allerdings ohne die unmittelbare Gegenwart Christi — immerfort, ja täglich vollzieht.
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Sünde wider den Geist
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Sünde wider den Geist ist eine schwere Sünde, die wiedergutgemacht werden muss, also nicht aus Gnade Vergebung finden kann. Es ist —nach Origenes — die Sünde gegen den Nächsten, welche diesen in seinen von Gott verliehenen Rechten verletzt. Alles, was dem Nächsten in diesem Sinne (vorsätzlich) angetan wird, ist Sünde wider den Geist. Auch Gott zu leugnen und den Nächsten damit in seinen Gefühlen zu verletzen ist Sünde wider den Geist — überhaupt alles, womit man den andern verletzt. Solche Sünde muss in einem nächsten Leben — oder möglicherweise bereits im derzeitigen — durch ein entsprechendes Schicksal oder Leid gesühnt werden (vgl. Hom. Jer. 11—3 und Mat. 5,22; 12,31f.)
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Nachtod
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Stirbt der Mensch, so trennen sich Geist und Seele vom Erdenleib; es aufersteht die Seele mit ihrem geistigen Leib und tritt ins geistige Reich hinüber. Je nach der Stufe ihrer sittlichen Entwicklung schreitet die Seele empor zu immer feineren Bereichen — oder in die Läuterung – oder sie wird gar gebannt und dann von neuem als Mensch (mit schwerem Schicksal) geboren. Dies geht so lange, bis die Seele nicht länger vom ,Tod‘ besiegt und von seinem ,Stachel‘ verletzt werden kann (princ. II 3,3). Ihre letzte Entwicklung kann dann ganz im Reich der seligen Geister vor sich gehen. Einer nach dem andern wird von der christlichen Lehre erfasst, lässt sich bekehren und steigt langsam empor. Immer mehr schließen sich an, und nach unübersehbar langen Zeiträumen kommt der Tag, da keiner mehr draußen bleibt, die materielle Natur allmählich verschwindet, der Stachel des Todes völlig stumpf geworden und der Tod selbst im Sieg verschlungen sein wird (princ. II 3,2). Dann kehrt auch der Fürst der Hölle zu Gott zurück. Das ist das Ende der Welt. Dann ist die `Wiederbringung des Alls‘ vollendet, der Tod ausgelöscht und Christus legt in und mit sich alles Gott zu Füssen, »auf dass Gott sei alles in allen«(princ. 1 7,5). Dieser Ablauf vom ersten Sündenfall durch ungeheure Zeiträume bis zur Heimkehr der Verlorenen und der seligen Endvollendung ist gleichwohl nur ein Geschehen unter vielen — eine Epoche, der andere vorangegangen sind und andere folgen werden (vgl. Eph. 2, 7). Die irdische ,Welt aber bringt mit ihrem Ende den Abschluss vieler Zeitalter (vgl. Hebr. 9,26) — den Abschluss der Epoche des Abfalls (vgl. princ. II 3,5).
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