Leben des Origenes
[Leben des Origenes] [Anfänge Alexandrien] [Zeit in Caesarea] [Historische Quellen] [Zeittafel]
Origenes (185-254), Griechischer Kirchenschriftsteller auch Adamantios genannt, wurde in Alexandria geboren. Er wurde in christlichem Glauben erzogen und musste, laut Überlieferung, nachdem sein Vater 202 während einer Christenverfolgung getötet wurde, zurückgehalten werden, um nicht selbst den Märtyrertod zu erleiden. Den kirchengeschichtlichen Standardwerken zufolge war er ein Schüler von Klemens von Alexandria. Origenes unterrichtete in Alexandria etwa 28 Jahre lang und unterwies Christen wie auch Heiden. Er war bekannt für seinen asketischen Lebenstil. Die Behauptung späterer Generationen dass er sich sogar selbst kastrierte, um der Versuchung zu entgehen, wird von der heutigen Forschung als Legende angesehen. In Alexandria verfasste er auch seine wichtigsten dogmatischen Abhandlungen und begann mit der Niederschrift einer Vielzahl von kritischen Werken.
Auf einer Palästinareise 216 wurde Origenes, der eigentlich Laie war, von dem Bischof von Jerusalem und dem Bischof von Caesarea aufgefordert, in der Kirche Vorlesungen über die Heilige Schrift zu halten. Um 230 wurde Origenes von denselben Bischöfen zum Presbyter geweiht, ohne jedoch die Zustimmung seines eigenen Bischofs, Demetrios von Alexandria, einzuholen. Nachdem sich Demetrios dieser Handlung widersetzte, wurden zwei Synoden in Alexandria einberufen. Auf der ersten wurde ein Lehrverbot gegen Origenes erlassen und auf der zweiten wurde ihm seine Priesterwürde aberkannt.
Daraufhin ließ sich Origenes in Caesarea nieder und gründete eine Schule für Literatur, Philosophie und Theologie. Während der Christenverfolgungen wurde er 250 unter Kaiser Decius gefangen genommen und gefoltert. 251 wurde er entlassen, starb jedoch um 254, wahrscheinlich in Tyros, an den Folgen seiner Verletzungen.
Origenes’ Werk umfasst Briefe, Abhandlungen zur Dogmenlehre und praktischen Theologie, apologetische Schriften, Auslegungen zur Bibel und kritische Schriften. Contra Celsum (Gegen Celsus) ist eine umfassende Verteidigungschrift, worin er das Christentum gegen die Angriffe des Philosophen Celsus verteidigte. Letzterer war ein einflussreicher alexandrinischer Platoniker des 2. Jahrhunderts und vielleicht der erste ernsthafte Kritiker des Christentums.
Origenes gilt auch als Begründer der allegorischen Auslegungsmethode der Heiligen Schrift. Er stellte die Lehre vom dreifachen Schriftsinn auf, die der zu jener Zeit verbreiteten Auffassung von der Dreiteilung des Menschen in Körper (soma), Seele (psyche) und Geist (pneuma) entspricht. Dementsprechend gibt es einen buchstäblichen (somatischen), moralischen (psychischen) und mystisch-allegorischen Sinn der Schrift. Origenes war Platoniker und versuchte, die griechische Philosophie mit der christlichen Religion zu verbinden. Er entwickelte auch die Theorie von Christus als Logos, oder dem fleischgewordenen Wort, der in Ewigkeit mit dem Vater existiert. Gleichzeitig lehrte er jedoch auch, dass der Sohn dem Vater in Macht und Rang unterlegen sei. Diese letztere Lehre sowie einige andere, wie z. B. jene von der Präexistenz der Seele, wurden von vielen seiner Zeitgenossen und nachfolgenden Schriftstellern scharf kritisiert. Einige der von seinen Lehren abgeleiteten Theorien wurden während des Mittelalters zum Ausgangspunkt für theologische Kontroversen.
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Leben des Origenes
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Anfänge in Alexandrien
Origenes wurde etwa im Jahre 185 als ältestes Kind einer wohlhabenden ägyptischen Familie geboren, in der es nach Eusebius bereits christliche Vorfahren gab. Er wuchs in Alexandrien auf. Sein Name „der von Horus Stammende‘ besagt nichts für heidnische Herkunft; auch christliche Eltern gaben damals solche Namen, sei es, dass man den Bezug auf eine heidnische Gottheit nicht mehr deutlich empfand, sei es auch, dass man auf heidnische Verwandte Rücksicht nahm. Doch erinnert der Name daran, dass das Kind in einer überwiegend heidnischen Umwelt aufwuchs.
In Alexandrien hatte neben der griechischen Herrenschicht die ägyptische Bevölkerung wenig, die jüdische Minderheit viel Einfluss. Die Stadt bot mit ihren Schulen und Bibliotheken die besten Möglichkeiten, sich griechische Bildung und Wissenschaft gründlich anzueignen. Davon, dass Origenes auch Koptisch gesprochen hätte, weiß man nichts. Wenn man der Überlieferung glauben darf, erkannte der Vater früh die Begabung des Sohnes und hielt ihn an, sich ganz besonders der heiligen Schrift zu widmen und sie auswendig zu lernen, und schon der Knabe soll nach ihrem tieferen Sinn gefragt haben, dessen Erhellung bald eine seiner Lebensaufgaben wurde. In der Christenverfolgung des Jahres 202 verlor der junge Student seinen Vater. Nach Eusebius hatte er ihn während der Haft brieflich ermutigt, keine Rücksicht auf seine Familie zu nehmen. Da zur Bestrafung des Vaters auch die Einziehung seines Vermögens gehörte, musste der Sohn nun seinen Unterhalt als Lehrer suchen. Aus dieser Zeit berichtet Eusebius, wie entschieden sich Origenes schon damals zur Orthodoxie der Großkirche bekannte, die sich in Alexandrien erst mühsam gegen ältere, häretische Glaubensformen durchsetzte.
Origenes unterrichtete zunächst in „Grammatik“, d.h. er betrieb eine sprachlich-philologische Ausbildung, die die Elemente des Wissens vor allem über die Lektüre der Dichter und Historiker vermittelte. Doch schon nach kurzer Zeit vollzog er eine entscheidende Wende: er ging vom grammatischen zum theologischen Unterricht über . Nach Eusebius hätte er damit die Nachfolge des Pantänus und Klemens in der Leitung einer vom Bischof eingerichteten sogenannten Katechetenschule übernommen, in der Katechumnen auf die Taufe vorbereitet wurden. Aber diese Darstellung kann vor der historischen Kritik nicht bestehen. Die genannten beiden Lehrer, vielleicht auch noch einige andere, hatten vielmehr eine freie Lehrtätigkeit ausgeübt, etwa so, wie der Apologet Justin um die Mitte des zweiten Jahrhunderts durch privaten Unterricht unter den Gebildeten Mission trieb. Wenn man aus seinen Schriften zurück schließen darf, so gehörte auch die Auseinandersetzung mit heidnischer Philosophie, jüdischem Gottesglauben und häretischen Sonderlehren zu seinem Unterrichtsprogramm; nur so ließ sich das Christentum als die wahre Philosophie darstellen. Auch Pantänus und Klemens müssen für den Übertritt zum Christentum als der höheren Wahrheit geworben haben. Aber einen unmittelbaren Taufunterricht gaben sie nicht. Man darf annehmen, dass sich auch getaufte Christen, namentlich solche gnostischer Herkunft, bei ihnen einfanden, um ihren Glauben klären und vertiefen zu lassen.
Ähnlich wird man sich auch den theologischen Unterricht des Origenes vorzustellen haben. Nach Eusebius übernahm ihn der junge Grammatiklehrer letzten Endes deshalb, weil einige Heiden zu ihm kamen, um von ihm, da andere Lehrer während der Verfolgung fehlten, „die Lehre von Gott“ zu hören. Wenn er diesen Wunsch erfüllte, so machte das seine Tätigkeit noch nicht zu einem kirchlichen Taufunterricht Immerhin entsprach sie diesem auf einer anderen Ebene. Das missionarische Ziel muss beiden Unterrichtsformen gemeinsam gewesen sein und anderseits kann auch der freie christliche Lehrer Origenes nicht ohne Wissen und Einverständnis des zuständigen Bischofs unterrichtet haben. Aber seine Lehrweise war gewiss anspruchsvoller und zugleich offener als die der kirchlichen Katecheten, so dass sie den Teilnehmern volle Freiheit ließ, sich zum Übertritt zu entschließen oder nicht Als einige von ihnen sehr bald Märtyrer wurden, stand ihnen Origenes unter Gefährdung seiner eigenen Person bis zu ihrem Tode seelsorgerlich bei. Dies ist zwar nicht sicher bezeugt, aber man darf es zutrauen.
Als Origenes den Grammatikunterricht aufgab, verkaufte er nach der Erzählung Eusebius aus seiner Bibliothek die Werke der griechischen Literatur gegen eine geringe Leibrente, um unabhängig als Philosoph leben zu können. Das heißt im Sinne der Zeit, er wollte in Zucht und Askese ein Leben des Geistes führen und, was er lehrte, vorleben. Gerade die Einheit von Leben und Lehre zog seine Schüler besonders an. Er handelte schon früh nach der Einsicht: „Weder Praxis noch Theorie sind allein etwas ohne das andere‘. In der Praxis ging er damals so weit, sich nach Matth. 19, 12 selbst zu verstümmeln. Da man auch von anderen freiwilligen Eunuchen unter den Christen jener Zeit weiß, braucht man an der Wahrheit dieser Nachricht nicht zu zweifeln (s. Hanson). Später hat Origenes freilich die wörtliche Auslegung jenes Jesuswortes verworfen. Die eigene „literalistische“ Erfahrung mag ihn bestärkt haben, das geistige Verständnis der heiligen Schrift um so entschiedener zu vertreten.
Die „Theorie“ hat Origenes in seinem neuen, theologischen Unterricht so ernst genommen, dass er dazu jetzt eingehend Philosophie studierte. Er hat diese Hinwendung zu ihr und zur antiken Wissenschaft später — wohl zwischen 231 und 233 — in einem Briefe gerechtfertigt. Darin heißt es: „Als ich mich der Lehre widmete und der Ruf unserer Fähigkeit sich verbreitete, kamen bald Häretiker zu mir, bald aber die Leute, die sich mit den griechischen Wissenschaften befassten, vor allem den philosophischen. Daraufhin entschloss ich mich, sowohl die Lehren der Häretiker zu prüfen als auch das, was die Philosophen über die Wahrheit zu sagen versprachen. Indem wir dies taten, haben wir den Pantänus nachgeahmt, der vor uns durch seine nicht geringe Ausbildung in jenen Wissenschaften viele gefördert hat, und auch den Heraklas, der jetzt im Presbyterium der Alexandriner sitzt. Ihn fand ich bei dem Lehrer der philosophischen Wissenschaften, den er schon fünf Jahre lang aufgesucht hatte, ehe ich anfing, jene Lehrvorträge zu hören.“
Wer war dieser ungenannte Lehrer? Der Neuplatoniker Porphyrius hat in seinem Werk ,Gegen die Christen‘ dort, wo er den Origenes würdigt, den Namen überliefert: Ammonius. Gemeint ist der berühmte Träger dieses Namens, der später den Beinamen Sakkas erhielt und vielleicht ursprünglich der christlichen Kirche angehört hatte. Dieser pythagoreische Ekstatiker konnte Origenes in der Auffassung bestärken, Philosophie sei weniger wissenschaftliche Lehre als Erweckung und Anleitung zu einem geistig-asketischen, religiösen Leben und gründe sich letztlich auf Offenbarung. Ammonius regte Plotin, der erst nach Origenes sein Schüler wurde, dazu an, in der platonischen Philosophie die Wendung zum Neuplatonismus herbeizuführen. Eine Studienzeit bei demselben Lehrer macht es auch verständlich, dass Origenes und Plotin in ihrer Fragestellung (wie: Vernunft und Offenbarung) und Arbeitsweise (Lehre als Auslegung autoritativer Texte) vielfach übereinstimmen. In den eigenen Unterricht bezog Origenes wenigstens für Begabte auch andere Wissenschaften wie Geometrie und Arithmetik mit ein; sie alle dienten ihm ebenso wie die Philosophie selber zum besseren Verstehen der heiligen Schrift. Denn unter dem philosophischen Interesse litten seine biblischen Studien nicht. Er lernte auch Hebräisch und schuf zu einer nicht näher bestimmten Zeit das äußerst umfangreiche Werk der ,Hexapla‘, das Wort für Wort den hebräischen Text des Alten Testaments und die erreichbaren griechischen Übersetzungen nebeneinanderstellte und so erkennen ließ, wie sich die von den Christen gebrauchte Septuaginta zum Grundtext und der sonstigen Überlieferung verhielt. Die Geldmittel zu diesem und zu anderen Werken stellte der wohlhabende Ambrosius zur Verfügung, den Origenes aus der valentinianischen Gnosis in die Kirche zurückgeführt hatte. Sein Gönner ermöglichte ihm später geradezu einen literarischen Großbetrieb, in dem ihm ständig einige Schnellschreiber, Reinschreiber und Schönschreiberinnen zu Diensten standen.
Mehrere Reisen erweiterten den Gesichtskreis des immer bekannter werdenden Gelehrten. Im Jahre 212 reiste Origenes nach Rom, um die „uralte Kirche der Römer“ kennenzulernen. Etwa drei Jahre später ließ ihn der Statthalter der Provinz Arabien zu sich rufen, da er seinen Unterricht wünschte. Die Einladung erfolgte in höchst offizieller Form, nämlich über den Bischof und den kaiserlichen Präfekten in Alexandrien. Als hier um das Jahr 215 Kaiser Caracalla aus persönlichen Gründen grausam wütete, besonders gegen die Schulen, begab sich Origenes heimlich nach Palästina. Diese Reise wurde für sein späteres Leben bedeutungsvoll. Er fand dort freundliche Aufnahme. Vielleicht damals, vielleicht aber auch erst später bei seinem zweiten Aufenthalt (so Hornschuh) bat man ihn, obwohl er kein ordinierter Presbyter war, im Meßgottesdienst „vor den Bischöfen“ die Schrift auszulegen. Das musste in seiner Heimat Anstoß erregen, weil hier die Lehrer- Inhaber eines alten kirchlichen Amtes- nur den Wortgottesdienst ohne die Feier der Eucharistie abzuhalten pflegten. Der alexandrinische Bischof Demetrius rief Origenes zurück und bestellte ihn zum Leiter einer Schule. Erst durch diesen amtlichen Auftrag entstand im Jahre 217 die alexandrinische Katechetenschule. Demetrius kann nicht erwartet haben, Origenes werde sich von jetzt an auf die Vorbereitung zur Taufe beschränken. Mindestens musste diesem auch das Gespräch mit den Häretikern verbleiben, also eine Art Konvertitenseminar, das höhere Ansprüche stellte. Die Frage war, ob er auch den freieren, philosophischen Unterricht fortsetzen könne.
Origenes war davon überzeugt, dass der Christ, der die geistigen Fähigkeiten dazu besitze, ein vertieftes Verständnis seines Glaubens suchen werde, auch suchen dürfe und suchen müsse. Die soziologische Folgerung war nicht zu verkennen. Es musste zweierlei christlichen Unterricht geben, weil es zweierlei Glieder der einen Kirche gab, einfache und fortgeschrittene. Gemäß dieser kritischen Haltung gegenüber dem bestehenden Kirchentum handelte Origenes. Erst jetzt (anders berichtet es Eusebius Kap. 15) bei der Einrichtung der Katechetenschule wird er den schon erwähnten Heraklas als Mitarbeiter hinzugezogen haben; er betraute ihn mit der Einführung der Elementarschüler, während er selbst seine gehobene und freiere Lehrtätigkeit in kaum veränderter Weise fortsetzte. So ging diese kirchliche Schule über den sonst üblichen Taufunterricht hinaus und gewann eine breitere Wirkung.
Im Jahre 218 oder 222 folgte Origenes der Einladung der Kaiserinmutter Julia Mammaea, ihr in Antiochien einiges von seiner Theologie vorzutragen. Wichtiger ist, dass um 217 sein literarisches Schaffen einsetzte. Er schrieb über die Auferstehung, begann mehrere Bibelkommentare, darunter den zur Genesis und zum Johannesevangelium, und auch seine Schrift ,Peri archon‘ entstand damals, wahrscheinlich Anfang der zwanziger Jahre. Jedenfalls hatte er, als seine Hermeneutik entwarf, die Zeit des asketischen Rigorismus bereits hinter sich.
Auszug aus dem Buch „Origenes, vier Bücher von den Prinzipien“ aus der Reihe „Texte zur Forschung Band 24“ von Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.
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Zeit in Caesarea
Bald erfuhr das Leben des Origenes eine äußere, aber tief einschneidende Veränderung. Als er mit 46 Jahren wieder in Palästina weilte, wurde er in Casarea durch den Ortsbischof und den Bischof von Jerusalem zum Presbyter geweiht. Der für die Weihe eigentlich zuständige Demetrius von Alexandrien nahm dies nicht hin. Er ließ Origenes auf zwei ägyptischen Synoden ausweisen und exkommunizieren; die Leitung der Schule übernahm Heraklas. Origenes siedelte im zehnten oder zwölften Regierungsjahre des Kaisers Alexander Severus (Kap. 26), also 231 oder 233, nach Casarea über und gründete hier eine neue Schule mit einer neuen Bibliothek. Sie blühte rasch auf. Wie er hier als Lehrer und Erzieher wirkte, mag die Abschlußrede Gregors des Wundertäters vor Augen rücken.
Origenes hat ihn, so bekennt der Schüler, durch Darlegung von Gründen und durch sein persönliches Verhalten für ein Leben des Geistes und der geistigen Freiheit gewonnen. Die Philosophie, zu der er hinführte, ist die geistige und sittliche Unterstellung unter den Logos, die an das Göttliche angleicht. Fachliches Wissen dient nur als unentbehrliches Material, an dem sich der Geist übt und gegen alle bloße Meinung kritisch behaupten lernt. Hierzu leitete auch der Unterricht in der Dialektik an, der — so darf man zurückschauend sagen — den alten Kampf der Philosophie gegen die Rhetorik in der christlichen Paideia weiterführte. Im Bereich der Natur lehrte Origenes seine Schüler mit Hilfe von Mathematik, Geometrie und Astronomie, das All und die Physis nicht gedankenlos, sondern mit Einsicht zu bewundern. Die Selbständigkeit des Geistes sollten sie aber vor allem gegenüber unvernünftigen Regungen in der eigenen Seele erringen. Deshalb folgte im Unterricht auf die Physiologie die mehr praktisch als theoretisch gehaltene Ethik. Daß die Theologie den Abschluß bildete, macht deutlich, wie sich der ganze Bildungsvorgang und die Erweckung der eigenen Vernunft erst in der Erkenntnis der ersten Ursache oder des ersten Urhebers vollenden. Wie Platon lehrte auch Origenes, nicht der Mensch sei der letzte Maßstab, sondern Gott, aber er fügte hinzu: „und seine Propheten‘. In der Tat gipfelte der Unterricht in der Erklärung der heiligen Schrift. Erst hierbei erkannte Gregor die unvergleichliche Größe seines Lehrers und geistigen Vaters ganz. Er konnte sie nicht besser beschreiben als mit den Worten, der Geist, der die Propheten erfüllt habe, erfülle auch ihn, ihren größten Ausleger. Aber der Unterricht wurde nicht auf die Stoffe beschränkt, die am nächsten bei dem Ziele lagen, d. h. auf die Bibel und die Glaubenslehren, sondern er führte auch durch das ganze weite Feld der alten Philosophen und Dichter. Überall sollten die Schüler suchen, was wahr sei und förderlich; ausgeschlossen waren nur die Schriften der Gottesleugner, also vornehmlich der Epikureer, weil diese Richtung von vornherein falsch und gefährlich sei.
Gregor und sein Bruder sind aus diesem Unterricht weder als getaufte Christen noch als Fachgelehrte hervorgegangen. Das Ziel ihres Meisters war ja zugleich höher und allgemeiner: Bildung als Erkenntnis der letzten Wahrheit und freier Gehorsam ihr gegenüber. Die zurückhaltende Darstellung Gregors kann jedoch nicht verdecken, daß Origenes dieses Ziel nur in jener Wahrheit fand, die ihm allein in Jesus Christus zur Gewißheit geworden war. Den Weg dorthin konnte er über die weltlichen Wissenschaften nehmen, weil er auch außerhalb der kirchlichen Überlieferung Teile der einen Wahrheit erkannte; aber er mußte zur biblischen Exegese aufsteigen, weil er nur dort den Lagos selbst, die Verkörperung aller Wahrheit, fand. Missionierung oder Festigung des Glaubens in völliger Freiheit und auf hoher geistiger Ebene war das letzte Ziel des Lehrers Origenes. Daher verzichtete er in seinem Unterricht zwar auf ein geschlossenes dogmatisches System, bot jedoch Ansätze dazu, die Lehren der Kirche und der heiligen Schrift in philosophisch vertiefter Weise aufzufassen. Die Ähnlichkeit der Arbeitsweise zeigt, daß die Bücher ,Peri archon‘ mit seinem Unterricht innerlich zusammenhängen. Dieser war ganz geprägt von der Persönlichkeit des Lehrers. Origenes erscheint in der Rede Gregors als begnadeter Erzieher, als behutsamer Gärtner, als Seelsorger im strengen Sinne des Wortes. Ja, die Rede erinnert oft genug an die Lobrede, die in Platons ,Symposion‘ Alkibiades auf Sokrates hält. Auch Origenes fesselte widerstrebende junge Männer in wunderbarer Weise an sich, im Grunde freilich an die Weisheit. Auch er ließ nichts ungeprüft durchgehen, am allerwenigsten die Nachlässigkeit dessen, der sich nicht ernsthaft um die eigene Seele sorgte, und vollends ,,sokratisch“ verfuhr er, wenn er mit seiner Dialektik dem Angesprochenen „ein Bein stellte‘, damit er der Wahrheit im Gespräch selber auf die Spur käme oder von ihr eingeholt würde.
Außerhalb seiner Schule diente Origenes der Kirche auch unmittelbar. Mehrmals unternahm er Reisen, um Vertreter theologischer Sonder-meinungen zur kirchlichen Lehre zurückzuführen. Ein erst während des Zweiten Weltkriegs gefundener Papyrus enthält noch das Protokoll über Synodalverhandlungen, in denen — wahrscheinlich zwischen 244 und 249 — der große Gelehrte häretische Gefahren zu bannen wußte. Doch blieb es ihm, der sich völlig als kirchlicher Christ fühlte, nicht erspart, zuweilen Zweifel an seiner eigenen Rechtgläubigkeit abwehren zu müssen, so z. B. in einem Brief an Bischof Fabian von Rom.
In Cäsarea entstanden auch die meisten Schriften des Origenes. Sie galten überwiegend der Schriftauslegung, die er teils in Einzelerklärungen (Scholien), teils in umfangreichen Kommentaren und im letzten Jahrzehnt seines Lebens auch regelmäßig in Homilien vor der Gemeinde darbot. Als Origenes unter Kaiser Maximinus Thrax Maßnahmen gegen die Christen in Palästina erwartete, verfaßte er eine ,Ermunterung zum Martyrium‘. Er lehnte darin das eigene Drängen zum Leiden ab, auch deshalb, weil man dadurch die Verfolger verleite, Böses zu tun; aber er ließ seine Leser nicht im unklaren darüber, daß der Christ seinen Glauben auch im Leiden zu bekennen habe. Ende. der vierziger Jahre verfaßte er acht Bücher ,Gegen Celsus‘, dessen scharfen Angriff
auf das Christentum er nach mehr als einem halben Jahrhundert noch sehr ernst nahm. Auch den Vorschlag des Celsus, die Christen möchten dem bedrohten Reiche ihre Kräfte nicht entziehen, lehnte er wegen der Verflechtung des Staates mit der heidnischen Religion ab.
Diese ein ganzes Leben hindurch eingenommene Haltung bewahrte er auch, als im Jahre 249 die erste allgemeine Christenverfolgung einsetzte. Origenes wurde eingekerkert, in Ketten gelegt und sehr hart gefoltert, doch vollstreckte man den angedrohten Feuertod nicht. Er kam wieder frei und starb wahrscheinlich im Jahre 254 in Tyrus, 69 Jahre alt.
Auszug aus dem Buch „Origenes, vier Bücher von den Prinzipien“ aus der Reihe „Texte zur Forschung Band 24“ von Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt
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Historische Quellen
Die Person des Origenes ist uns besser bekannt als die irgendeines anderen christlichen Schriftstellers vor Augustin. Unser Wissen über sein Leben und seine Schriften verdanken wir größtenteils dem Bischof Eusebius (Eusebius) von Cäsarea (ca.260-339/340), der über wertvolle Quellen verfügte. Die Schule in Cäsarea, die er durchlief, übermittelte ihm gewiss mancherlei Nachrichten über ihren berühmten Gründer; ältere Menschen konnten ihm von Origenes noch aus persönlicher Kenntnis berichten; vor allem aber standen Eusebius in der Bibliothek die meisten Schriften des Meisters zur Verfügung, die auch biographische Angaben enthielten. So konnte er ein genaues Verzeichnis der Schriften des Origenes aufstellen und mehr als hundert seiner Briefe sammeln. Leider sind beide Arbeiten nicht erhalten. Doch hat Eusebius aus ihnen einiges verwertet, als er am Anfang des vierten Jahrhunderts in seiner ,Kirchengeschichte‘ das Leben und Wirken des Origenes darstellte. Aus den sonstigen Quellen, zu denen Hieronymus und Photius sehr Wichtiges beigetragen haben, hebt sich als Zeugnis von besonderer Unmittelbarkeit die Dankrede heraus, die Gregorius Thaumaturgus etwa im Jahre 238 vor Origenes und den Mitschülern hielt, als er die Schule in Cäsarea nach fünfjährigem Aufenthalt verließ. Der folgenden Darstellung liegen die Angaben in Eusebs ,Kirchengeschichte‘ zugrunde. Allerdings kann man Eusebius nicht kritiklos folgen, besonders nicht in den Nachrichten über die früheren Jahre des Origenes, wo er diesen als ein frühreifes, in Gefahren wunderbar behütetes Werkzeug Gottes verherrlichen möchte.
Auszug aus dem Buch „Origenes, vier Bücher von den Prinzipien“ aus der Reihe „Texte zur Forschung Band 24“ von Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt
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Zeittafel
185 Origenes, auch Adamantios genannt, wurde als ältestes Kind einer wohlhabenden christlichen Familie in Alexandria geboren.
202 mußte er als junger Student während der Christenverfolgung unter Kaiser Septimius Severus die Enthauptung seines Vaters Leonides miterleben. Leonides ließ bei seinem Tod die Familie mittellos zurück, da der Kaiser das Vermögen der Märtyrer einzog.
203 Als ältester Sohn hatte er nun für seine Mutter und sechs jüngere Brüder zu sorgen. Da er durch seinen Vater eine sehr hohe Bildung in den griechischen Elementarwissenschaften wie auch im Studium der Heiligen Schriften erfahren hatte, begann er — um den Unterhalt zu verdienen — Unterricht zu geben. Origenes widmete sich neben der Lehrtätigkeit weiterhin seinen theologischen und philosophischen Studien. Er beschäftigte sich sehr intensiv mit der griechischen Philosophie — insbesondere mit der Lehre Platons.
Origenes war Schüler des Klemens von Alexandria und des Ammonius Sakkas, der eine große Liebe zu indischer Weisheit besaß. Auch Pantänus, den Vorgänger des Klemens in der Leitung der Katechetenschule, kannte Origenes persönlich. Zu seinen ersten Schülern gehörten Plutarch und Heraklas, dessen Bruder, der nach dem Tod des Demetrius Bischof von Alexandria wurde.
206-210 In Alexandria entfachte der Stadthalter Subatianus Aquila eine Christenverfolgung. Unter den Opfern befanden sich auch viele Schüler des Origenes. Er stand zu ihnen, besuchte sie im Gefängnis und begleitete sie zur Hinrichtung.
212 Origenes reiste nach Rom, um die römische Gemeinde kennenzulernen und vor allem Hippolytus, einen hervorragenden Christen, der später zum Papst gewählt wurde.
215 ließ der Stadthalter der Provinz Arabien Origenes zu sich rufen, da er sich für dessen theologisches Wissen derart interessierte, dass er von ihm unterrichtet werden wollte. In dieser Zeit richtete Kaiser Antoninus Caracalla ein Blutbad in Alexandria an und wütete besonders gegen die christlichen Schulen. Viele Gelehrte wurden zur Flucht genötigt.
216 Um der Verfolgung zu entkommen, begab sich Origenes heimlich nach Cäsarea in Palästina. Dort hielt er im Auftrag der Bischöfe Theoktistos von Cäsarea und Alexander von Jerusalem gottesdienstliche Lehrvorträge. Die Hörer des Origenes behielten ihre volle Freiheit, der christlichen Kirche beizutreten oder nicht.
217 Bischof Demetrius rief ihn nach Alexandria zurück und bestellte ihn zum Leiter der Alexandrinischen Katechetenschule. In diesem Jahr begann Origenes, auch literarisch zu arbeiten. Er schrieb »Über die Auferstehung«, Bibelkommentare zur Genesis und zum Johannes-Evangelium.
In den 20er Jahren entstand seine noch bis heute viel umstrittene Schrift »Peri Archon«. Aus vielen Stellen seiner Schriften wird die geistige Verbundenheit des Origenes mit dem Schriftsteller und Denker Numenios (121-180) deutlich. Numenios besaß eine tiefe Kenntnis von indischer Weisheit und der Lehre der Brahmanen.
218 Ambrosius, bekannter Freund und Gönner des Origenes, war so von der Spiritualität des Origenes überzeugt, dass er ihm zur rascheren Herstellung der Bibelkommentare und anderer Werke mehr als sieben Schnellschreiber, die abwechselnd das Diktat des Origenes aufnahmen, wie auch Buchschreiber auf Dauer zur Verfügung stellte.
222 folgte Origenes einer Einladung der Mutter des Kaisers Alexander Severus, Julia Mammaea, nach Antiochien, um ihr seine christliche, kosmische Sicht- und Denkweise zu vermitteln.
231 Durch den Bischof von Jerusalem und den Ortsbischof von Cäsarea wurde Origenes in Cäsarea zum Presbyter geweiht. Dies hatte seine Ausweisung und Exkommunikation durch den zuständigen Bischof Demetrius von Alexandria zur Folge, der die Weihe des Origenes als Eingriff in seine Kompetenz empfand. Dieser Beschluss, den auch der römische Bischof Pontianus sanktionierte, wurde allen Kirchen der christlichen Welt mitgeteilt. Da die Kirche von Palästina diesem Beschluss nicht zustimmte, übersiedelte Origenes:
233 nach Cäsarea und gründete dort eine neue Schule und eine Bibliothek. Er blieb weiterhin mit der alexandrinischen Schule in Verbindung. Als Lehrer und Gelehrter besaß Origenes Weltruf.
233-234 verfasste er seine Schrift »Vom Gebet«, die übereinstimmend zu den »Perlen altchristlicher Literatur« gerechnet wird. In dieser Zeit schrieb er auch die »Aufforderung zum Martyrium«, den apologetischen Brief an Bischof Fabian in Rom und seine einzigartige sprachliche Bibelsynopse »Hexapla«.
238 hielt Gregorios Thaumaturgos, Schüler des Origenes und späterer Bischof im Pontos, die vielbeachtete Dankrede, in der er Origenes als »einmalige Persönlichkeit« bezeichnete und auf die hervorragende Bedeutung seiner Theologie hinwies.
239-242 Origenes erhielt den Auftrag, täglich — in sämtlichen Gottesdiensten — zu predigen und die gesamte Bibel auszulegen. Von Cäsarea aus unternahm er wiederholt Reisen in Palästina, nach Syrien und Arabien. Eine spezielle Reise nach Arabien unternahm er, um wesentlich mitzuhelfen, einen Streit unter den dortigen Bischöfen beizulegen.
248 Origenes verfasste die »Acht Bücher gegen Celsus«.
249 Während der ersten allgemeinen Christenverfolgung unter Kaiser Decius wurde Origenes in Cäsarea vor das kaiserliche Gericht gestellt und als Christ verurteilt. Er wurde gefangengenommen, eingekerkert, in Ketten gelegt und hart gefoltert. Decius, der Philippus und anderen christlichen Kaisern folgte, galt aus Hass gegen diese Vorgänger als einer der schlimmsten Christenfeinde. Der Origenes angedrohte Feuertod wurde jedoch nicht vollstreckt — der Richter wollte unbedingt eine Hinrichtung des Origenes vermeiden.
251 Nach dem Tod des Kaisers Decius wurde Origenes freigelassen. Seine geistigen und körperlichen Kräfte waren jedoch derart geschwächt, dass er keine wissenschaftlichen Arbeiten mehr durchführen konnte.
254 oder 255 starb Origenes im Alter von 69 bzw. 70 Jahren in Tyrus. Sein Grab wurde bis zum Ende des 13. Jahrhunderts in der Kathedrale Santi Sepulcri bewahrt.
Auszug aus dem Buch „Das kosmische Gebet, Einübung nach Origenes“ von Peter Dyckhoff
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