Geschichte
Entwicklung der Theologie in den ersten Jahrhunderten bis zur Ablehnung der Lehre des Origenes durch das 5. Konzil in Konstantinopel 553 von Waltraud Große
[Inhaltsverzeichnis] [ 1-Fragestellungen] [2-Konstantin] [3-Nicäa-Arius] [4-Arianer-Nicaäaner] [5-Konstantinopel] [6-Streit um Origenes] [7-Christologie] [8-Schulen] [9-Ephesus-Nestorius] [10-Chalcedon] [11-Ära Justinian] [12-Origenes] [13-Beschlüsse] [14-Zusammenfassung] [15-Anathematismen]
Inhaltsverzeichnis
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Geschichte
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1-Theologische Fragen vor dem 1. Konzil
Von den frühesten Anfängen an traten im Christentum immer wieder Strömungen auf, die sich nicht mit der überlieferten Lehre Jesu vereinbaren ließen. Teils entstanden sie in den christlichen Gemeinden selbst, teils stellten sie Vermischungen der christlichen Lehre mit anderen Religionssystemen oder Philosophien dar. So berichtet schon die Geschichte des frühen Christentums von Häresien oder Ketzereien; darunter fällt alles, was der offiziellen Lehrmeinung zuwiderläuft.
Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen „Irrlehren“ zwang die Kirche, ihre Glaubenssätze klar zu formulieren, um sie gegen abweichende Meinungen abzugrenzen. Als Folge da von kam es oftmals zu Streitigkeiten innerhalb der Kirche, von denen manche nur für einen bestimmten Zeitraum von Bedeutung waren, manche aber auch einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des gesamten Christentums ausübten.
Die hauptsächlichen Streitigkeiten der ersten Jahrhunderte nach Christi Wirken entstanden aus der Frage nach dem Bringer der christlichen Botschaft. Von Anfang an galt Jesus den Christen als der Sohn Gottes; sie beteten ihn als Herrn (Kyrios) an. Die Taufe wurde, seinem Auftrag gemäß, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen. Lag in dieser Dreiheit nicht ein Widerspruch zu dem strengen Monotheismus, der dem Judentum wie dem Christentum als unumstößlicher Glaubensinhalt galt? Besondere Bedeutung gewann diese Frage im 2. Jahrhundert, als die Kirche zu den Häresien der Judaisten und der Gnostiker Stellung nehmen musste:
a) Die Judaisten waren Judenchristen, die starr am mosaischen Gesetz festhielten. Jesus erkannten sie nicht als Sohn Gottes an; er war für sie nur ein besonderer Mensch. Gemäßigte Gruppen unter ihnen hielten lediglich eine wunderbare Geburt (aus der Jungfrau und dem Heiligen Geiste) für möglich. Schon im 1.Jahrhundert hatte sich ein Teil der strengeren Judenchristen von der Kirche getrennt.
Die in der Kirche verbleibenden Judenchristen hatten sich bis zum Ende des 2. Jahrhunderts in verschiedene Richtungen aufgespalten.
b) Die gnostische Lehre gab es schon in der vorchristlichen Zeit; sie vereinigte in sich hellenistische und orientalische Strömungen (Gnosis — Erkenntnis). Bereits im 1. Jahrhundert traten Vermischungen von Gnostizismus und Christentum auf, die im 2.Jahrhundert noch größere Verbreitung erfuhren. Eine Nachwirkung zu Anfang des 3. Jahrhunderts stellt der Manichäismus, die persische Gnosis, dar.
Innerhalb des Gnostizismus waren verschiedene Lehren vertreten. Sie versprachen höhere Erkenntnis, als der christliche Glaube allein sie bieten könne. Außerdem enthielten sie die Idee des Dualismus, gleichbedeutend mit einem Gegensatz Gott—Materie; letztere wurden entweder als Chaos bezeichnet oder als Prinzip des Bösen schlechthin.
Über die Menschwerdung Jesu gibt es im Gnostizismus zwei Ansichten: Entweder kommt der Erlöser in einem Scheinleib auf die Erde, der also nicht unserem menschlichen Körper entspricht, oder:
Christus, der Logos, verbindet sich erst bei der Taufe mit dem Menschen Jesus und verbleibt dort bis zu seinem Leiden.
Die Kirche musste nun eine Antwort darauf finden, wie sich die Gottheit des Sohnes mit der Einheit Gottes vereinbaren lasse.
Einige Kirchenschriftsteller des ausgehenden 2. und des 3. Jahrhunderts (Justinus aus Samaria; Theophilus von Antiochien; Tertullian; Hippolyt; Origenes) knüpften dabei an die Ausführungen des Juden Philo von Alexandria (25v. Chr. bis 39 n. Chr.) an, die folgende Erklärung bieten:
„Der göttliche Logos ist die höchste Vernunft, die teils als bloße unpersönliche, im göttlichen Wesen beschlossene Eigenschaft betrachtet wird (Lagos endiathetos), teils aber auch und vorzugsweise als durch das göttliche Sprechen aus dem Schoße der Gottheit heraustretend und sofort in persönlicher Verschiedenheit von Gott für sich bestehend erscheint (Logos porphonkos). Er ist die vollendetste Offenbarung Gottes, der Inbegriff aller göttlichen Kräfte und Kundgebungen, Vermittler zwischen Gott und Welt, Abbild des Vaters, Sohn Gottes, der zweite Gott, Erzengel, Weisheit.“‘
Daraus ergaben sich nun weitere Überlegungen: Wenn der Lagos erst bei der Erschaffung der Welt durch einen Willensakt des Vaters zur Person geworden ist, so muss der Sohn dem Vater untergeordnet sein. So entstand die Idee des Subordinanianismus. Vorläufig war dadurch weder der Glaube an die Gottheit des Sohnes noch an die Einheit Gottes gefährdet.
Ende des 2.Jahrhunderts und im 3.Jahrhundert gewann eine Gruppe von Christen Einfluss, die vor allem die Einheit Gottes in den Vordergrund stellten und alles bekämpften, was dieser Einheit zu widersprechen schien. Sie nannten sich Monarchianer (monarchia = Einheit). Eine einheitliche Lehre besaßen sie nicht; einige von ihnen hielten Jesus für einen begnadeten Menschen, durch den Kraft und Weisheit Gottes auf besondere Weise wirkten (in abgeschwächtem Maße sei dies auch bei Moses und den Propheten der Fall gewesen); andere waren zwar von der Gottheit Jesu überzeugt, meinten aber, es sei der Vater gewesen, der auf die Erde gekommen sei; sie erklärten dies mit den verschiedenen Offenbarungsweisen (modi), die dem Vater zu eigen seien.
Anfang des 3. Jahrhunderts bekam eine Richtung innerhalb des Monarchianismus besondere Bedeutung, der Sabellianismus, der erstmals den Heiligen Geist in die Überlegungen mit einbezog. Sabellius aus Libyen lehrte, es gebe nur eine göttliche Person; diese habe drei Wirkungsarten, die er mit Prosopa bezeichnete. Prosopa kann heißen: Schauspieler-Rolle oder Schauspieler-Maske, aber auch Person — dadurch entstand eine gewisse Verwirrung über den eigentlichen Inhalt seiner Lehre. Sabellius verglich die drei Wirkungsmöglichkeiten Gottes mit Körper, Seele und Geist beim Menschen. Gott wirke als Vater in der Gesetzgebung, als Sohn in der Menschwerdung, als Heiliger Geist in der Heiligung. Sohn und Heiliger Geist könnten sich nach Erfüllung ihrer Aufgaben wieder im Vater auflösen.
Da einige Gruppen der Monarchianer die Trinität leugneten und andere Gruppen nicht an die Gottheit des Sohnes glaubten, wurden sie auf mehreren Synoden insgesamt aus der Kirche ausgeschlossen. Als einer ihrer Gegner auf den Synoden trat u. a. Origenes auf, der entschieden die Trennung Gott Vater – Gott Sohn – Gott Heiliger Geist lehrte.
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Kapitel 2
Verschärfung der theologischen Streitigkeiten ab der Zeit Konstantins des Großen und Einführung von ökumenischen Konzilien
Durch das Mailänder Edikt (313) hatte Konstantin der Große (306—337) das Christentum den heidnischen Kulten gleichgestellt. Damit begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Christentums. Im Laufe der Zeit erhielt die Kirche immer mehr Privilegien und Rechte. Zwar blieben die heidnischen Kulte — wenn auch von staatlicher Seite immer mehr zurückgedrängt — noch immer bestehen; aber allmählich übernahm die Kirche die Rolle der früheren Staatsreligion. Der Kaiser betraute Christen mit einflussreichen Ämtern im Staat. Konstantin hatte erkannt, dass die Kirche zum stützenden und einigenden Faktor in seinem Reiche werden konnte. Kirche und Reich waren fortan eng miteinander verbunden, beide waren voneinander abhängig. Für die Kirche bedeutete dies jedoch, dass sie in Glaubensfragen von der weltlichen Macht beeinflusst wurde.
Obwohl sich Konstantin erst auf dem Sterbebett taufen ließ, ernannte er sich selbst zu dem von Gott bestellten „Bischof der äußeren Angelegenheiten“ und hielt sich für ermächtigt, über Glaubensfragen zu entscheiden und in kirchliche Belange einzugreifen. Damit begründete er den „Cäsaropapismus“, der in den folgenden Jahrhunderten im griechischen Orient noch krassere Formen annehmen sollte.
Hatte es in den ersten drei Jahrhunderten schon verschiedene Glaubensstreitigkeiten gegeben, so begann hierfür seit der Zeit Konstantins (also seit der Bindung der Kirche an das Imperium) ein neuer Abschnitt: Uneinigkeit innerhalb der Kirche hatte nun politisches Gewicht bekommen, denn sie gefährdete die Einheit des Reiches. Daher wurden fortan Glaubenskämpfe oftmals von der Staatsgewalt nach deren Gutdünken geregelt.
Die Fragen, die innerhalb der Kirche bisher aufgetreten waren, zielten nun auf den Kernpunkt des Glaubens — auf Gott — hin. Das brachte eine Verschärfung der Auseinandersetzungen; und eine Beilegung war sowohl für die Kirche als auch für den Staat von größter Bedeutung. Konstantin führte daher die ökumenischen Synoden (oder ökumenischen Konzilien) ein. Diese galten gleichzeitig auch als Reichssynoden; sie sollten strittige Glaubenspunkte allgemein verbindlich klären— und gerade deshalb wurden sie auch im Interesse des Reiches abgehalten.
Die Bezeichnung ökumenische Konzilien“ bedeutet nicht, dass die Bischöfe der gesamten christlichen Welt zusammengekommen wären — nicht einmal jede Kirchenprovinz war vertreten. Als Kriterien für ein „ökumenisches Konzil“ galten:
a) ein wesentlicher Teil der Bischöfe sollte anwesend sein (bei den ersten fünf ökumenischen Konzilien waren die morgenländischen Bischöfe in der Überzahl; die Abendländer waren stets in der Minderheit, bzw. auch gar nicht vertreten; dies hatte aber keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Entscheidungen);
b) die Gesamtkirche musste die Beschlüsse anerkennen;
c) die päpstliche Zustimmung zu den Beschlüssen war unbedingt erforderlich.
Der letztgenannte Punkt erwies sich als besonders wichtig:
„Ohne den römischen Stuhl Petri hatte keine Glaubensentscheidung eines Konzils definitive Gültigkeit, und seine Entscheidung ward in der Art als unantastbar und endgültig betrachtet, dass, wer sich dagegen auflehnte, sich selbst von der Kirche ausschloss.“ Dies gilt auch unverändert nach dem heutigen Stand der Theologie und des Kirchenrechts.
Außer den ökumenischen oder allgemeinen Synoden gab es noch andere Bischofsversammlungen, die jeweils für einen Teilbereich von Bedeutung waren: die Generalsynoden, zu denen nur die Bischöfe des Ostens oder des Westens einberufen wurden; ferner die Patriarchal-, National-, Provinzial- und Diözesansynoden.
2.1
Zur Verfassung der Ökumenischen Synoden
Wie sehr die ökumenischen Synoden auch eine Angelegenheit des Staates waren, äußerte sich darin, dass das Berufungsrecht beim Kaiser lag. Er konnte Ort und Zeitpunkt für eine ökumenische Synode bestimmen; er konnte sie auch an einen anderen Ort verlegen oder sie vertagen. Sowohl der Papst als auch die Synode selbst erkannten dieses Recht ausdrücklich an.
Der Kaiser garantierte die äußere Sicherheit und Ordnung, was in den damaligen Zeiten auch nötig war.
Die Beratung und Entscheidung über Glaubensfragen und kirchliche Belange sollte zwar allein den Bischöfen überlassen bleiben; jedoch zeigt die Geschichte, in welchem Maße dabei die Interessen der Staatsgewalt durchgesetzt wurden. Rechtskraft erhielten die Konzilsbeschlüsse erst nach der Bestätigung durch den Kaiser, der dann auch für die Durchführung im Reich sorgte.
Eingeladen wurden zu den ökumenischen Konzilien die Patriarchen; außerdem die Metropoliten mit einem Teil ihrer Bischöfe. Die Päpste waren bei den ersten vier ökumenischen Konzilien nicht selbst anwesend, sondern durch ihre Legaten vertreten. Das 5. ökumenische Konzil stellt einen Sonderfall dar, der später noch ausführlicher behandelt wird.
Auf die Bedeutung der päpstlichen Zustimmung wurde bereits hingewiesen. Die Legaten, die im Auftrage des Papstes handelten, genossen daher eine Vorrangstellung innerhalb der Synode, die sowohl in der Sitzordnung als auch bei der Unterzeichnung der Beschlüsse zum Ausdruck kam. Es bedurfte keiner zusätzlichen Anerkennung durch den Papst, um den Entscheidungen Gültigkeit zu verleihen; die Unterschrift des Legaten galt als päpstliche Approbation. Das 5. ökumenische Konzil nahm allerdings auch in diesem Punkt einen anderen Verlauf.
Welche Bedeutung den ökumenischen Konzilien zukam, sollen zwei Stimmen aus dem 6. Jahrhundert zum Ausdruck bringen:
Ferrandus, Diakon von Karthago, äußert: „Was einmal im Konzil verfügt ist, muss ewige Geltung behalten.. . . Die allgemeinen Synoden, vollends wenn sie die Zustimmung der römischen Kirche gefunden haben, stehen an Ansehen nur den kanonischen Büchern nach.“
Ein anderer afrikanischer Kleriker, Zeitgenosse des Ferrandus, fragt: ,,. . . Was bleibt noch unangetastet, was unerschüttert, wenn der Spruch einer so großen Synode (wie Chalcedon), sei es als unvollkommen ergänzt, sei es als anfechtbar erörtert werden dürfte?… Ist doch der einzige Zweck der Konzilien, dass wir auf ihre Autorität hin glauben, was wir mit dem Verstande nicht fassen.“
2.2
Überblick über die ersten fünf ökumenischen Konzilien
Es wurden zwei Hauptfragen des christlichen Glaubens angeschnitten:
a) Die trinitarische Frage, die bereits im 2. und 3.Jahrhundert Anlass zu Auseinandersetzungen lieferte, gewann erneut an Bedeutung. Der Arianismus und damit verwandte Lehren forderten von der Kirche eine klare Aussage über das Verhältnis des Vaters zum Sohne. — Später trat die Frage auf, welche Stellung der Heilige Geist innerhalb der Trinität einnehme.
Die Entscheidungen wurden auf der 1. ökumenischen Synode zu Nicäa im Jahre 325 und auf der 2. ökumenischen Synode zu Konstantinopel im Jahre 381 gefällt.
b) Der trinitarische Streit zog den christologischen Streit nach sich. Die Arianer und Apollinaris vertraten die Ansicht, Christus habe nicht die volle Menschennatur angenommen, was die Kirche als Irrlehre bezeichnete. Später ging es um die Frage, in welchem Verhältnis göttliche und menschliche Natur in Christus zueinander stünden. Auf der 3. ökumenischen Synode zu Ephesus im Jahre 431 wurde der Nestorianismus verurteilt, der eine extreme Trennung der beiden Naturen in Christus lehrte. Auf der 4. ökumenischen Synode zu Chalcedon im Jahre 451 wurde die Lehre der Monophysiten verworfen, die eine Vermischung von göttlicher und menschlicher Natur in Christus beinhaltete.
Die großen Kämpfe hatten zahlreiche kleinere Streitigkeiten zur Folge. Ein Beispiel dafür ist der „Drei-Kapitel-Streit“, der eine solche Bedeutung gewann, dass zu seiner Beilegung die 5. ökumenische Synode zu Konstantinopel im Jahre 553 einberufen werden musste.
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Kapitel 3
Der arianische Lehrstreit und das 1. ökumenische Konzil zu Nicäa (325)
Die Fragen zur Trinitätslehre, die im 2. und 3. Jahrhundert auftraten, (s. Kapitel 1) waren auch im 4. Jahrhundert noch nicht völlig geklärt. Nach dem Ausschluss der Monarchianer aus der Kirchengemeinschaft hatte sich als Lehrmeinung herauskristallisiert: Christus ist eine göttliche und gleichzeitig vom Vater verschiedene Person.
Beide Personen waren also göttlich; doch in welchem Verhältnis standen sie zueinander? Vorerst gab es darüber keine verbindliche Lehrmeinung.
Während im Orient der Sohn dem Vater unter geordnet wurde (Subordinatianismus, s. Kapitel 1), wobei jedoch an seiner Göttlichkeit nicht gezweifelt wurde, lehrte die römische Kirche die „Homousie“ (Wesensgleichheit, bzw. Wesenseinheit) zwischen Vater und Sohn (nicht zu verwechseln mit „Homöusie“ — Wesensähnlichkeit).
Der Presbyter Arius zu Alexandrien (ca. 280—336) vertrat den Subordinatianismus in extremster Form. Einige Punkte aus seiner Lehre:
- Der Logos besteht nicht seit Ewigkeit.
- Er wurde vom Vater aus nichts geschaffen, ist also Geschöpf.
- Durch den Logos hat Gott alles geschaffen.
- Während zwischen dem Logos und den Geschöpfen nur ein quantitativer Unterschied besteht, ist der Unterschied zwischen Gott und dem Logos unendlich groß.
- Der Logos ist nur als angenommener Sohn Gottes zu bezeichnen.
- Der Logos vermag sich zum Guten wie zum Bösen zu entscheiden; seine Sündlosigkeit beruht auf freier Willensentscheidung. Der Vater habe im voraus von seinem vorbildlichen Leben gewußt.
Arius verkündete seine Lehre zunächst in Alexandrien (ab 318). Nach einigen vergeblichen Verboten durch seinen Bischof Alexander wurde Arius im Jahre 320 oder 321 mit seinen Anhängern auf einer Synode aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen. Dennoch nahm der Streit zwischen Anhängern und Gegnern des Arius immer größere Ausmaße an. Besondere Unterstützung erfuhr Arius durch den Bischof Eusebius von Nikomedien (dessen Anhänger wurden Eusebianer genannt). Kaiser Konstantin sah Ruhe und Ordnung gefährdet und versuchte zu vermitteln, jedoch ohne Erfolg.
So wurde im Jahre 325 die 1. ökumenische Synode nach Nicäa einberufen. Es nahmen etwa 300 Bischöfe daran teil, davon sieben Abendländer (diese Zahlen sind jedoch nicht genau überliefert). Die Verhandlungen verliefen sehr erregt, zumal auch Arius selbst anwesend war. Als einer seiner Hauptgegner tat sich Athanasius aus Alexandrien (295—373) hervor. Auch der Kaiser selbst griff mehrmals ein. Schließlich wurde die arianische Lehre verworfen, und die Konzilsväter bemühten sich um eine klare Formulierung des rechten Glaubens.
Eine aus orientalischen Bischöfen bestehende Mittelpartei schlug eine Formulierung vor, die aus der Lehre des Origenes hergeleitet war; diese wurde teilweise berücksichtigt, aber noch ergänzt, so dass dem Arianismus eine eindeutige Absage erteilt wurde.
Das Symbol (Glaubensbekenntnis) von Nicäa lautete schließlich:
„Wir glauben an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer all des, das sichtbar und unsichtbar ist; und an einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ward, das heißt aus dem Wesen des Vaters, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrhaftiger Gott aus wahrhaftigem Gott, geboren, nicht geschaffen, eines Wesens (homo. Usios) mit dem Vater, durch welchen alles geworden ist, sowohl was im Himmel wie was auf Erden ist, der um uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen ist und Fleisch geworden ist, der Mensch ward, litt und am dritten Tage auferstand, aufgefahren ist gen Himmel (und) kommen wird, um Lebende und Tote zu richten; und an den Heiligen Geist. Die aber sagen:
,es gab eine Zeit, da er nicht war‘, und: ,ehe er geboren ward, war er nicht‘, und: ,aus Nichtseiendem ist er geworden‘, oder die behaupten, er sei aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit (als der Vater), oder der Sohn Gottes sei (geschaffen oder) wandelbar oder veränderlich, die verdammt die katholische und apostolische Kirche.“
Einen Hauptangriffspunkt bildete später der Begriff „homousios“, da er des Sabellianismus (s. Kapitel 1) verdächtigt wurde.
Arius wurde zusammen mit zwei Bischöfen, die die Unterschrift verweigert hatten, exkommuniziert und verbannt. Kurz darauf wurden zwei weitere Bischöfe ebenfalls in die Verbannung geschickt, da sie sich des Arianismus verdächtig machten. Die Schriften des Arius wurden dem Feuer übergeben, auf ihren Besitz stand fortan die Todesstrafe.
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Kapitel 4
Kämpfe zwischen den Arianern und der nicäanischen Partei
Auch nach dem Konzil von Nicäa bildeten die Arianer eine mächtige Partei, die besonders von Konstantins Schwester, Konstantia, unterstützt wurde. So bestand der Arianismus vor allem in Hofkreisen weiter; auch manche Origenisten (Anhänger der Lehre des Origenes) duldeten oder förderten ihn.
Kaiser Konstantin, der niemals tief in theologische Fragen eingedrungen war, erlaubte im Jahre 328 dem Arius, wieder aus der Verbannung heimzukehren. Die beiden ehemals mit ihm zusammen verbannten Bischöfe erhielten ihre Bischofssitze wieder. Mehr und mehr wurden die Führer der nicäanischen Partei von ihren Bischofssitzen verdrängt. Athanasius aus Alexandria (s. Kapitel III) wurde von Arianern verleumdet und im Jahre 335 vom Kaiser in die Verbannung geschickt.
Auf Befehl des Kaisers sollte Arius im Jahre 336 wieder in die Kirche aufgenommen werden; alles war bereits für dieses feierliche Ereignis vorbereitet; doch Arius verstarb plötzlich, als er in Konstantinopel einzog. — Ein Jahr später, 337, starb auch Kaiser Konstantin. Kurz vor seinem Tode ließ er sich noch taufen, und zwar von einem arianischen Bischof.
Nach dem Tode Konstantins wurden der östliche und der westliche Teil des Reiches getrennt verwaltet. Die nun folgende Zeit war geprägt von gegenseitigen Anklagen der nicäanischen Partei und der Arianer, von Verleumdungen, Absetzungen und Verbannungen. Es traten verschiedene Synoden zusammen, die ihre Beschlüsse gegenseitig verwarfen.
Dies alles fiel bereits teilweise in die Regierungszeit von Konstantins Nachfolger im Ostreich, Kaiser Konstantius (337—361), der ebenfalls die Arianer begünstigte. Die Streitigkeiten zwischen den Nicäanern und den verschiedenen arianischen Gruppen mit ihren voneinander abweichenden Meinungen nahmen Ausmaße an, die sich kaum mehr überblicken ließen.
Verschiedene Glaubensformeln (vier antiochenische Formeln von 341 und vier sirmische Formeln von 35 1/359) sollten den Konflikt beseitigen, bekämpften aber alle mehr oder weniger den Begriff „homousios“. Papst Liberius, der zeitweise in der Verbannung leben musste, durfte erst wieder nach Rom zurückkehren, als er im Jahre 358 die 3. sirmische Formel unterschrieb.
Immer mehr tat sich eine Kluft zwischen dem Morgenland und dem Abendland auf: Der Papst und die abendländischen Bischöfe kämpften für die Beschlüsse von Nicäa, der Kaiser und die morgenländischen Bischöfe für den Arianismus.
In welcher Lage sich die Kirche nun befand, zeigt ein Ausspruch des Kaisers Konstantius: „Was ich will, muss als Kirchengesetz gelten.“
Kaiser Konstantius machte zweimal den Versuch, endgültige Beschlüsse durch eine ökumenische Synode zu erzielen; beiden Synoden blieb jedoch die ökumenische Anerkennung versagt:
a) Die im Jahre 343 nach Sardika einberufene Reichssynode endete damit, dass sich beide einander befehdende Parteien mit dem Bann belegten.
b) Im Jahre 359 berief der Kaiser erneut eine Reichssynode ein, diesmal die Abendländer nach Armini und die Morgenländer nach Seleucia. Damit sollte verhindert werden, dass sich die gemäßigten Arianer, die inzwischen Splittergruppen gebildet hatten, mit den Abendländern vereinigten. Die Abendländer bekannten sich weiterhin zu den Beschlüssen von Nicäa; die Morgenländer kamen wegen ihrer Aufspaltungen zu keinem Ergebnis.
Im Jahre 360 bedrohte Konstantius alle Bischöfe des Ostens und des Westens mit dem Bann, wenn sie nicht die Einigungsformel unterschrieben: „Vater und Sohn sind ähnlich gemäß der Heiligen Schrift.“ Papst Liberius verweigerte diesmal die Unterschrift.
Als Kaiser Konstantius im Jahre 361 starb, ergaben sich neue Möglichkeiten für die nicäanische Partei: Kaiser Julian der Abtrünnige, Nachfolger des Kaisers Konstantius, ließ die Bischöfe beider Parteien wieder aus der Verbannung zurückkehren — wenn auch in der Hoffnung, dass sich das Christentum auf diese Weise selbst vernichten wurde. Die nicäanischen Bischöfe konnten nun wieder ungehindert wirken, und viele gemäßigte Arianer gingen zu ihnen über.
Nach Kaiser Julian kam Kaiser Valens (364—378) an die Regierung. Er begünstigte den strengen Arianismus. Dennoch ging die Blütezeit des Arianismus im römischen Reich zu Ende. Die Arianer und Semiarianer waren in zu viele Splittergruppen zerfallen und bekämpften sich zu sehr, als dass sie noch gemeinsame Ziele hätten verwirklichen können. (Semiarianer waren gemäßigte Arianer, unter ihnen gab es z. B. die „Homöusianer“, die eine „Wesensähnlichkeit“ zwischen Vater und Sohn betonten).
Papst Damasus 1. (366—3 84) setzte sich sehr für eine Versöhnung mit den Homöusianern ein; und nach dem Tode des Kaisers Valens fand das Bekenntnis von Nicäa auch im Osten wieder mehr Anhänger.
Die „Jung-Nicäaner“ Basilius, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa stellten zum Verständnis der Beschlüsse von Nicaa eine neue Glaubensformel auf: „Eine Wesenheit, drei Personen“.
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Kapitel 5
Das 2. ökumenische Konzil zu Konstantinopel (381)
Kaiser Theodosius der Große (379—395) konnte den östlichen und den westlichen Teil des Reiches noch einmal zu dem großen römischen Reich vereinigen (394). Nach seinem Tod zerfiel das Reich wieder in zwei Teile. Theodosius verbot die heidnischen Kulte und begründete die katholische Reichskirche. Für alle Untertanen war nun das nicäische Glaubensbekenntnis bindend.
Um alle bisherigen Wirren aus der Welt zu schaffen, berief Theodosius im Jahre 381 eine Generalsynode des Orients nach Konstantinopel ein. Obwohl sie nicht von Anfang an als Reichssynode geplant war, wurde sie doch später als die 2. Ökumenische Synode anerkannt.
Der bisherige trinitarische Streit hatte nur das Verhältnis des Vaters zum Sohn zu klären versucht. Nun kam noch die Frage nach der Stellung des Heiligen Geistes dazu.
Für die Arianer war der Sohn:
1. ein Geschöpf des Vaters und
2. Schöpfer alles übrigen.
Diesen Gedanken weiter ausführend, kamen sie zu dem Ergebnis, der Heilige Geist müsse ebenfalls ein Geschöpf des Sohnes sein. Diese Meinung wurde vor allem von Macedonius vertreten, der bis zum Jahre 360 als Bischof von Konstantinopel wirkte; er kam aus den Reihen der Homöusianer und erhielt von diesen kräftige Unterstützung; sie wurden deshalb Pneumatopachen (Gegner des Heiligen Geistes) genannt; später bezeichnete man sie als Macedonianer.
Das Konzil, zu dem etwa 150 Teilnehmer gekommen waren, übernahm schließlich im wesentlichen das Taufsymbol, das Bischof Epiphanius von Constantia (Zypern) als Glaubensbekenntnis vorgeschlagen hatte. Es wurde bekannt als das nicäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis und lautet:
„Wir glauben an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden, all des, das sichtbar ist und unsichtbar. Und an einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus Gott geboren vor aller Zeit, Licht von Licht, wahrer Gott von wahrem Gott, geboren, nicht geschaffen, mit dem Vater eines Wesens, durch den alle Dinge ins Sein traten, der um uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgekommen ist vom Himmel und Fleisch geworden aus dem Heiligen Geist und Maria, der Jungfrau, der Mensch wurde, gekreuzigt ward unter Pontius Pilatus, litt und begraben ward, am dritten Tage auferstand nach den Schriften, aufgefahren ist gen Himmel, sitzt zu Rechten des Vaters und wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu richten Lebende und Tote; des Reich wird sein ohne Ende. Und an den Heiligen Geist, den Herrn, der da lebendig macht, der vom Vater ausgeht, der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und gepriesen wird, der durch die Propheten geredet hat; an eine heilige katholische und apostolische Kirche. Wir bekennen eine Taufe zur Vergebung der Sünden; wir warten auf die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt.“‘
In Canon 1 der Konzilsbeschlüsse wurden — neben anderen Häresien — auch alle Formen des Arianismus verdammt.
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Kapitel 6
Der erste origenistische Streit (Ende 4. Jahrhundert- Anfang 5. Jahrhundert)
Origenes aus Alexandria (185—254), war einer der einflussreichsten Theologen des frühen Christentums. Leben und Lehre des Origenes haben wir in besonderen Büchern dargestellt. (Die Anhänger seiner Lehre wurden Origenisten genannt.) Origenes unterscheidet klar die drei Personen Gottes; Sohn und Heiliger Geist werden dem Vater untergeordnet. Aus diesem Grund bezeichnet man ihn oft als geistigen Vater des Arianismus. Die Lehre des Origenes ist jedoch nicht mit dem Arianismus gleichzusetzen. Das geht u. a. auch daraus hervor, dass beide sich befehdende Parteien auf Ausführungen des Origenes Bezug nehmen. So benützt z. B. Didymus der Blinde aus Alexandrien (gest. 398) die Lehre des Origenes, um die Richtigkeit der Beschlüsse von Nicäa zu beweisen.
Im Weltbild des Origenes haben auch die Präexistenz der Seelen und die Reinkarnation einen festen Platz; doch dieser Teil seiner Lehre sollte erst später Bedeutung erlangen (s. Kapitel 12 und XIII).
Trotz mancher Anfeindungen stand die Lehre des Origenes in den ersten Jahrhunderten in hohem Ansehen. ,,Bis zum Ende des 4. Jahrhunderts äußerte sich die Mehrzahl der Stimmen in der Kirche für den berühmten Alexandriner.“ Noch Papst Siricius (384—399) hatte nichts gegen den Origenismus einzuwenden, was ihm Vorwürfe aus den Reihen der Gegner des Origenes einbrachte.
Dass am Ende des 4. Jahrhunderts Streitigkeiten größeren Umfanges um den Origenismus ausbrachen, lässt sich in der Hauptsache als Folgeerscheinung der vorausgegangenen trinitarinschen Kämpfe erklären. Seinen Ausgangspunkt nahm der Streit in Ägypten. Neben Mönchen, die sich den Schriften des Origenes widmeten, lebten in Ägypten auch Mönche, die wenig Bildung besaßen und sich den christlichen Gott in menschlicher Gestalt und mit einem materiellen Körper vorstellten: die Anthropomorphiten. Diese bekämpften die Lehre des Origenes, da sie ihrer eigenen Ansicht völlig zuwiderlief. Mit ihnen befreundet — wenn auch nicht mit ihnen gleicher Meinung — war Bischof Epiphanius aus Constantia (gest. 403), der bereits als Urheber der Glaubensformel von Konstantinopel im Jahre 381 (s. Kapitel V) genannt wurde.
Soweit die Vorgeschichte.
Die eigentlichen großen Streitigkeiten lassen sich in zwei Abschnitte einteilen:
a) Epiphanius von Salamis stellte von 374 bis 377 ein Ketzerverzeichnis zusammen, das als sogenannter ,,Arzneikasten“ (griech.: „Panarion“) bekannt wurde. Dort wurde auch Origenes als Ketzer aufgeführt.
Epiphanius geriet auf einer Reise durch Palästina (um 390) in Streit mit Bischof Johannes von Jerusalem, einem begeisterten Anhänger des Origenes. Johannes ging in seinen Predigten gegen die Anthropomorphiten vor, Epiphanius gegen die Origenisten.
Als eifriger Verteidiger des Origenes trat Rufinus aus Aquileja (gest. 410) auf, der einige seiner Werke ins Lateinische übersetzte (s. Kapitel 12, 2).
Ein anderer Übersetzer des Origenes war Hieronymus (gest. 420; Verfasser der lateinischen Bibelübersetzung, der Vulgata). Dieser hatte zwar Origenes sehr geschätzt, war aber nun sehr darauf bedacht, nicht selbst in den Ruf eines Ketzers zu kommen; deshalb ging er auf die Seite des Epiphanius über. Bedeutende Argumente für die Lehre des Origenes lieferte Didymus der Blinde (310-395), Theologe an der alexandrinischen Katechetenschule und Lehrer des Rufinus.
Der Streit nahm nun immer größere Ausmaße an.
Papst Anastasius 1. (399—401) verwarf zwar— im Gegensatz zu seinem Vorgänger — ein Hauptwerk des Origenes („De principiis“), sprach aber dennoch kein Verdammungsurteil aus.
In dieser ersten Phase der Streitigkeiten war es Bischof Theophilus aus Alexandrien (385—412) teilweise gelungen, zu vermitteln.
b) Als die Anthropomorphiten unter Gewaltandrohung in Alexandrien einzogen, wechselte Theophilus die Partei. Um das Jahr 400 entschied er auf mehreren Synoden gegen die Origenisten und bedrohte sie mit dem Bann.
Die bekanntesten origenistischen Mönche waren: Euagrius Pontikus und die vier „langen Brüder“ Dioskurus, Ammonius, Eusebius und Euthymius.
Das Verhalten des Theophilus löste in Ägypten eine Verfolgungswelle aus. 300 origenistische Mönche flohen nach Palästina; 50 von ihnen zogen weiter nach Konstantinopel. Der dortige Bischof Johannes Chrysostomus (der als bedeutendster Prediger der griechischen Kirche gilt) gewährte ihnen Asyl, was aber Theophilus und Epiphanius zu erneutem Vorgehen gegen die Origenisten veranlasste. Sie erhoben auch gegen Johannes Chrysostomus Anklage, da er ihrer synodalen Verurteilung des Origenes nicht zustimmte. Es folgten langwierige Auseinandersetzungen. Papst Innozenz I. sicherte zwar Johannes Chrysostomus seine Unterstützung zu; aber die Gegenpartei war mächtiger: Die endgültige Verurteilung des Johannes Chrysostomus durch Kaiser Arkadius ist nicht zuletzt der Kaiserin Eudoxia zuzuschreiben, die sich von Johannes Chrysostomus gekränkt fühlte. Dieser wurde in die Verbannung geschickt, wo er im Jahre 407 verstarb. Diese Vorgänge hatten die allgemeinen Sympathien für den Origenismus noch verstärkt. Auch Theophilus musste dem Rechnung tragen und duldete fortan die Origenisten.
[Inhaltsverzeichnis] [ 1-Fragestellungen] [2-Konstantin] [3-Nicäa-Arius] [4-Arianer-Nicaäaner] [5-Konstantinopel] [6-Streit um Origenes] [7-Christologie] [8-Schulen] [9-Ephesus-Nestorius] [10-Chalcedon] [11-Ära Justinian] [12-Origenes] [13-Beschlüsse] [14-Zusammenfassung] [15-Anathematismen]
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Geschichte
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Kapitel 7
Anfänge des christologischen Streits
7.1 Der Arianismus
Für die Arianer war der Sohn Gottes ein Geschöpf des Vaters und nicht mit diesem wesensgleich. Diese These bildete den Hauptgegenstand der Auseinandersetzungen mit dem Arianismus. Ein anderer Punkt dieser Lehre, der zuerst nur wenig beachtet wurde, sollte später noch Bedeutung erlangen:
Die Arianer,,. . verstümmelten auch die Menschheit Christi, indem sie dem Erlöser die menschliche Seele absprachen, ihn nur einen unbeseelten Leib annehmen ließen. Die Äußerungen des Seelenlebens Christi sollten auf den Logos selbst zurückgehen und ihn damit als veränderlich und geschöpflich erweisen.“ Damit war der Grund zum christologischen Streit gelegt: Es war die Frage nach dem Verhältnis von göttlicher zu menschlicher Natur in Christus, die in den kommenden Jahrhunderten Anlass für erbitterte Glaubenskämpfe gab.
Die Lehre der Arianer war insgesamt auf dem Konzil zu Konstantinopel im Jahre 381 (s. Kapitel V) verurteilt worden.
7.2 Apollinaris von Laodicea
Bischof Apollinaris von Laodicea (gest. ca. 390) galt als Gegner des Arianismus. Die Meinung der Arianer über die Menschwerdung Christi, die der kirchlichen Lehrmeinung widersprach, veranlasste ihn jedoch, dieser Frage weiterhin nachzugehen.
Er kam zu folgendem Ergebnis: Da Jesus ohne Sünde lebte, könne er keine menschliche Natur besessen haben, die der unseren ähnlich ist. So sei in ihm auch keine „höhere, vernünftige Seele“ oder kein ,,Geist (griech.: Nous)“ gewesen; „der Logos habe….unser Fleisch und eine animalische Seele angenommen, aber an Stelle des Geistes sei er selbst als hegemonisches Prinzip getreten.“ 13
Seiner Meinung nach konnten nicht zwei „Naturen“ (ein göttliche und eine menschliche) in Christus existieren, da für ihn „Natur“ so viel bedeutete wie ,,Person“.
Von Apollinaris wurden nur wenige Schriften unverfälscht überliefert. Zur Verdeutlichung des oben Gesagten einige Stellen daraus:
,,Es ist unmöglich, dass in einem und demselben (Subjekt) zwei Vernunft- und Willensträger zusammen bestehen, wenn anders nicht einer dem anderen widerstreiten soll zufolge seines eigenen Wollens und seiner Eigentätigkeit. Folglich hat der Logos nicht eine menschliche Seele angenommen, sondern nur den Samen Abrahams; denn den Tempel des Leibes Jesu bildete im voraus der unbeseelte, vernunft- und willenlose Tempel Salomos ab.“ (Aus der 1. Rede „Über die Henosis“) 14 „Es macht uns aber lebendig Christi Fleisch wegen der mit ihm wesenhaft verbundenen Gottheit; was aber lebendig macht, ist göttlich; göttlich ist also das Fleisch, weil es mit Gott in Verbindung getreten ist; und dieses rettet, wir aber werden gerettet, weil wir an ihm wie an einer Speise teilhaben…. Der Leib Christi ist nicht (wie der unsere) ein Leib des Todes, sondern des Lebens; also ist das Göttliche nicht eines Wesens mit dem Menschlichen.“ (Aus dem Syllogismen.Fragment)
Im Jahre 388 wurden die Anhänger dieser Lehre von Kaiserin Theodosius verbannt, nachdem Papst Damasus auf mehreren Synoden sein Verdammungsurteil ausgesprochen hatte. Die Lehre des Apollinaris wirkte aber dennoch weiter; sie enthielt Grundlagen des Monophysitismus und sollte auf diese Weise noch große Bedeutung erlangen.
[Inhaltsverzeichnis] [ 1-Fragestellungen] [2-Konstantin] [3-Nicäa-Arius] [4-Arianer-Nicaäaner] [5-Konstantinopel] [6-Streit um Origenes] [7-Christologie] [8-Schulen] [9-Ephesus-Nestorius] [10-Chalcedon] [11-Ära Justinian] [12-Origenes] [13-Beschlüsse] [14-Zusammenfassung] [15-Anathematismen]
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Geschichte
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Kapitel 8
Die gegensätzlichen theologischen Schulen von Alexandrien und Antiochien und ihre Bedeutung im christologischen Streit
Der trinitarische Streit hatte sich nun zum christologischen Streit ausgeweitet. Bisher formulierte die Kirche als bindende Lehrmeinung:
- Der Sohn ist dem Vater wesensgleich und damit wahrer Gott (gegenüber den Arianern);
- der Logos ist wahrhaft Mensch geworden (gegenüber den Arianern und Apollinaris).
Noch war keine Aussage darüber gemacht worden, in welchem Verhältnis göttliche und menschliche Natur in Christus zueinander stünden. Während der christologischen Streitigkeiten bildeten sich dann zwei extrem einander widersprechende Meinungen aus, die einen tiefen Zwiespalt in der Christenheit verursachten. Zwar war die christologische Frage erstmals durch die Arianer und Apollinaris offen zutage getreten; doch die Voraussetzungen dafür waren schon seit langer Zeit vorhanden:
Großen Einfluss auf die Entwicklung der Glaubenslehre übten zwei theologische Schulen aus. Diese hatten eine unterschiedliche Arbeitsweise und kamen auch zu gegensätzlichen Ergebnissen.
8.1 Die Katechetenschule von Alexandrien
Als erste bekannte Lehrer wirkten dort Pantanus von Sizilien (ca. 180-200) und Clemens von Athen (ca. 190-203). Dessen Nachfolger war Origenes, der größte Theologe der griechischen Kirche. Im 4.Jahrhundert lehrte dort Didymus der Blinde (bereits in Kapitel VI genannt). Besondere Bedeutung für den christologischen Streit bekam Cyrill, der zu Anfang des 5. Jahrhunderts dort unterrichtete und im Jahre 412 Patriarch von Alexandrien wurde.
In dieser Schule wurde das platonische Denken gepflegt — beeinflusst von den Lehren des Juden Philo (s. Kapitel 1) und vom Neuplatonismus.
Zum Verständnis der Heiligen Schrift bediente man sich dort allegorisch-mystischer Erklärungen: Das Erkennen sollte über den wörtlichen Sinn hinausgehen.
In der alexandrinischen Schule wurde eine innige Verbindung von göttlicher und menschlicher Natur in Christus gelehrt. Cyrill, der von der ,,einen Natur des fleischgewordenen Logos“ sprach, wählte zur Verdeutlichung folgendes Bild: „Die göttliche Natur durchdringt die menschliche wie das Feuer eine glühende Kohle oder ein brennendes Stück Holz“.
Dies trug ihm den Vorwurf ein, er ließe in seiner Lehre die menschliche Natur in der göttlichen aufgehen, bzw. er wurde die beiden Naturen miteinander vermischen (letzteres wurde mit dem griechischen Ausdruck Synkrasis bezeichnet).
Ein ähnliches Bild wie bei Cyrill findet sich bereits bei Origenes, in seinem Werk „De principiis“, II, 6, 5—6 .
Aus diesem Bild wird eines deutlich: Origenes nimmt zwar an, dass in Christus eine „menschliche Vernunftseele“ war (im Gegensatz zu Apollinaris, s. Kapitel VII, 2), dass diese aber — durch einen einmaligen festen Entschluss zum Guten keine Entscheidungsmöglichkeit zum Bösen mehr hatte. „Das göttliche Feuer selbst“ durchdrang alles, war somit das Bestimmende in Christus.
Die ,,menschliche Vernunftseele“, von der Origenes hier spricht, ist also doch etwas anderes als die, welche einem Menschen zu eigen ist. Ein weiteres Bild zeigt dies ebenfalls: Sie war ,,Gefäß“ für den Logos.
Origenes vertritt also die ,,Ein-Natur-Lehre“. In dem Werk ,,De principiis“ finden sich auch Anklänge an die „Zwei-Naturen-Lehre“. Basil Studer bezweifelt jedoch die Echtheit der betreffenden Stellen (s. dazu auch Kapitel 12. 2).
8.2
Die Exegetenschule von Antiochien (Exegese — Schriftauslegung)
Begründer dieser Schule war Lucian von Antiochien (gest. 312). Er stand auf der ,,origenistischen Linken“ und lehrte einen strengen Subordinatianismus (s. Kapitel 1 und 3); aus seiner Schule war Arius hervorgegangen. Die Antiochener waren dem Stoizismus zugetan und pflegten das aristotelische Denken. Zur Schriftauslegung bedienten sie sich der buchstäblichen, grammatisch-historischen Erklärung und standen deshalb im Rufe des Rationalismus.
Für Diodor von Tharsus (gest. 392) war das Menschsein Christi so sehr in den Vordergrund getreten, dass er nur mehr eine moralische Verbindung zwischen Gott und Christus anerkannte. Dieser Auffassung folgte auch Theodor von Mopsuestia (352—428). Beide trennten göttliche und menschliche Natur in Christus so sehr voneinander, dass sie — bezogen auf Christus — von zwei Söhnen Gottes sprachen. Nestorius trug diese Lehrmeinung — noch um einiges verschärft — durch seine Predigten in die Öffentlichkeit; ab dem Jahre 428 war Nestorius Bischof von Konstantinopel.
Die Antiochener verwendeten verschiedene Bilder, um ihre Anschauung darzulegen: Der göttliche Logos wohnt in dem Menschen Jesus wie in einem Tempel oder einem Kleid; die Verbindung gleicht der zwischen Mann und Frau in der Ehe; oder: göttliche und menschliche Natur in Christus verhalten sich zueinander wie die Götterstatue zum Tempel.
Im 5. Jahrhundert waren es nicht nur die beiden verschiedenen Lehrmeinungen von Alexandrien und Antiochien, die aufeinanderprallten. Es spielten noch alte Rivalitaten und Feindschaften dabei eine Rolle:
Cyrill war Patriarch von Alexandrien, Nestorius Patriarch von Konstantinopel. Da Alexandrien Hort der Wissenschaften war und Konstantinopel Kaiserresidenz, waren beide Städte auf ihren Einfluss und ihre Bedeutung bedacht.
Außerdem war das Verhältnis zwischen Alexandrien und Konstantinopel empfindlich durch die Auseinandersetzungen zwischen Theophilus und Johannes Chrysostomus (s. Kapitel VI, b) getrübt worden. Zwischen Cyrill (Neffe und Nachfolger des Theophilus) und Nestorius war also — aus mehreren Gründen — eine heftige Gegnerschaft zu erwarten.
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Kapitel 9
Der Nestorianismus und das 3. ökumenische Konzil zu Ephesus (431)
Nestorius, wahrscheinlich persischer Abstammung, stand in der Gunst des Kaisers Theodosius II. und war aufgrund dessen auf den Bischofsstuhl von Konstantinopel gelangt. Dort vertrat er weiterhin die Thesen der antiochenischen Schule. Die göttliche und die menschliche Natur Christi waren für ihn in einer Person nicht zu vereinen; die Konsequenz war für ihn: Es gebe nicht einen Christus, sondern einen natürlichen und einen aus Gnade angenommenen Sohn Gottes; die zwei Naturen waren also für ihn gleichbedeutend mit zwei Personen.
Der eigentliche Streit brach aus, als Nestorius der Mutter Jesu nicht mehr die bisherige Bezeichnung ,,Gottesgebärerin“ (Theotokos) zubilligte, sondern sie ,,Christusgebärerin“ (Christotokos) nannte. Dies verursachte nicht nur Aufregung unter den Theologen, sondern auch bei den Laien.
Als Cyrill davon hörte, griff er den Nestorius heftig in einem Rundschreiben an, das er zu Ostern 429 an die ägyptischen Mönche schickte. Kaiser Theodosius II. unterstützte anfangs den Nestorius. Papst Cölestin 1. forderte Nestorius zum Widerruf auf. Nestorius beharrte auf seiner Meinung, zumal er aus der antiochenischen Schule kräftige Unterstützung erhielt, so zum Beispiel von Bischof Theodoret von Cyrus, der heftige Angriffe gegen Cyrill richtete. Um den Streit zu beenden, berief Kaiser Theodosius II. schließlich ein ökumenisches Konzil für das Jahr 431 nach Ephesus ein.
Bei diesem Konzil trat Cyrill als Vertreter des Papstes auf. Er eröffnete das Konzil am 22.6.431 vor 198 Bischöfen, obwohl die antiochenischen Bischöfe noch nicht in Ephesus angekommen waren und der Kaiser deshalb Einspruch erheben ließ. Nestorius befand sich zwar in Ephesus, weigerte sich aber trotz dreimaliger Vorladung, am Konzil teilzunehmen.
Die Synode verurteilte die Lehre des Nestorius und setzte ihn selbst als Bischof ab.
Am 26. oder 27.6.431 trafen die 43 antiochenischen Bischöfe ein und hielten ein Gegenkonzil ab, um Cyrill aus der Kirchengemeinschaft auszuschließen.
Der Kaiser billigte zuerst die Beschlüsse beider Synoden, erklärte jedoch später alles für ungültig. Mit allen Mitteln versuchten nun beide Parteien, den Kaiser, der in Konstantinopel geblieben war, für sich zu gewinnen.
Cyrill war vorübergehend auf Befehl des Kaisers gefangengenommen worden, fand jedoch in der Schwester des Kaisers, Pulcheria, eine einflussreiche Fürsprecherin. Schließlich entschied der Kaiser zu Gunsten Cyrills und der Alexandriner. Nestorius wurde, wie schon gesagt, abgesetzt und verbannt, das Lesen seiner Schriften verboten.
Das Konzil hatte jedoch keinen Frieden zwischen den beiden feindlichen Parteien gestiftet; die gegenseitigen Anfeindungen dauerten an. Erst im Jahre 433 einigte man sich auf ein gemeinsames Glaubensbekenntnis, das wahrscheinlich Theodoret von Cyrus (dem bereits oben genannten Antiochener) zuzuschreiben ist:
„Wir bekennen.. unseren Herrn Jesus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, als vollkommenen Gott und vollkommenen Menschen aus Vernunftseele und Leib. Vor den Zeiten aus dem Vater der Gottheit nach geboren, ist derselbe am Ende der Tage um unseret- und um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau, der Menschheit nach (hervorgegangen), mit dem Vater wesenseins der Gottheit nach und als derselbe mit uns wesens-eins der Menschheit nach. Denn es ist eine Einigung zweier Naturen erfolgt, weshalb wir auch einen Christus, einen Sohn, einen Herrn, bekennen. Diesem Begriff der unvermischten Einigung entsprechend bekennen wir die heilige Jungfrau als Gottesmutter, weil der Lagos Fleisch und Mensch geworden ist und vom Augenblick der Empfängnis an den aus ihr genommenen Tempel mit sich geeint hat. Wir wissen aber, daß die Theologen die evangelischen und apostolischen Aussagen über den Herrn teils als auf eine Person (griech.: Prosopon) gehend (auf beide Naturen) gemeinsam beziehen, teils als auf zwei Naturen sich beziehend trennen. Dabei gelten ihrer Überlieferung zufolge die gottgeziemenden Prädikate von der Gottheit Christi, die Niedrigkeitsaussagen hingegen von seiner Menschheit.“
Die Einigung hatte von beiden Parteien Zugeständnisse gefordert:
— Die Antiochener mussten die Absetzung des Nestorius akzeptieren. Außerdem mussten sie mit der Bezeichnung Gottesmutter, bzw. Gottesgebärerin einverstanden sein.
Cyrill musste hinnehmen, dass in dem Glaubensbekenntnis von 433 die menschliche Natur Christi als ,,Tempel“ des Logos bezeichnet wurde. Für die Alexandriner galt dies als ein nestorianisierender Ausdruck, und sie machten Cyrill heftige Vorwürfe, dass er eingewilligt habe.
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Kapitel 10
Anfänge der monophysitischen Wirren und das 4. ökumenische Konzil zu Chalcedon (451)
Das Glaubensbekenntnis von Ephesus gab bald Anlass zu erneuten Auseinandersetzungen. Die bindende Lehrmeinung war nun die von den zwei Naturen Christi (Dyophysitismus). Daran nahm die alexandrinische Schule großen Anstoß. Was man dort als Meinung vertrat, lautete:
Wenn man von zwei Naturen Christi spreche, so sei dies nur vor der Menschwerdung berechtigt; nach der Menschwerdung jedoch sei die menschliche Natur in die göttliche verwandelt worden, in ihr aufgegangen; der Leib Christi gleiche also nicht unserem menschlichen Körper, denn er sei ja vergöttlicht worden. Der Erlöser habe also nur eine Natur besessen (Monophysitismus).
Daher galt den strengen Monophysiten das Bekenntnis von Ephesus als nestorianisch und damit als häretisch.
Als Eutyches, ein Klostervorsteher in Konstantinopel, offen die monophysitische Meinung vertrat, wurde er im Jahre 448 auf einer Synode in Konstantinopel von dem dortigen Patriarchen abgesetzt und exkommuniziert. Als Eutyches dagegen protestierte, zog der Streit weite Kreise. Eutyches wurde vor allem vom Nachfolger Cyrills, Dioskur (Patriarch von Alexandrien), unterstützt.
Schließlich griff Papst Leo 1. (440—461) ein und nahm in einem Lehrbrief vom 13.6.449 Stellung zu den beiden Naturen Jesu. Es heißt darin u. a.:
,Jede Natur nämlich bewahrt ihre Eigentümlichkeit unversehrt. So tritt denn der Sohn Gottes in diese Welt ein und steigt von seinem himmlischen Thron herab, ohne dabei die Herrlichkeit seines Vaters zu verlassen… Derselbe, der wahrer Gott ist, ist zugleich wahrer Mensch… Wie Gott nicht verändert wird durch sein Erbarmen (in der Erniedrigung), so wird auch der Mensch (in Jesus Christus) durch die (göttliche) Würde nicht verschlungen. Jede der beiden Naturen (,Gestalten‘) vollbringt (vielmehr) in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigentümlich ist. – . . Wegen dieser Einheit der Person also, die man sich bei den beiden Naturen denken muss, steht geschrieben, der Menschensohn sei vom Himmel gestiegen (vgl.Joh. 3, 13), während es doch der Gottessohn war, der von der Jungfrau, aus der er geboren wurde, Fleisch angenommen hat; und wiederum wird gesagt, der Sohn sei gekreuzigt worden und begraben, während er doch – . – in der Schwachheit seiner menschlichen Natur gelitten hat. „.
Damit hatte der Papst der alexandrinischen Schule eine klare Absage erteilt.
Dioskur versuchte mit allen Mitteln, dies rückgängig zu machen. Auf sein Betreiben berief Kaiser Theodosius II. für das Jahr 449 ein allgemeines Konzil nach Ephesus ein. Dioskur führte den Vorsitz, der päpstliche Legat mußte sich mit der zweiten Stelle begnügen. Dioskur wurde von seinen Mönchen und vom kaiserlichen Militär unterstützt; die Soldaten schreckten nicht vor rohesten Gewaltanwendungen zurück.
Auf diese Weise wurde Eutyches rehabilitiert; die Lehre von den beiden Naturen Christi wurde verworfen, die Schriftstücke des Papstes nicht einmal vorgelesen. Die 135 Konzilsväter wurden unter Androhung von Misshandlungen gezwungen, ihre Unterschrift zu geben — teilweise auf leere Blätter. Eine Reihe von Bischöfen, die des Nestorianismus verdächtigt wurden, setzte Dioskur ab; u. a. waren dies: Theodoret von Cyrus (bereits in Kapitel 9. Genannt), Domnus von Antiochien und Ibas von Edessa.
Diese Synode ging als Räubersynode in die Geschichte ein; sie hatte allerseits Widerspruch erregt, und Papst Leo 1. versuchte Kaiser Theodosius noch im selben Jahr zu bewegen, eine neue allgemeine Synode einzuberufen, jedoch ohne Erfolg.
Nachfolger Theodosius‘ II. war General Marcian, der die Schwester des Kaisers, Pulcheria (s. Kapitel 9), geheiratet hatte und so zum Kaiser wurde (450—457); er berief für das Jahr 451 ein allgemeines Konzil ein. Es sollte zuerst in Nicäa stattfinden, wurde jedoch vor der Eröffnung nach Chalcedon verlegt. Dieses Konzil weist von allen Konzilien im Altertum die höchste Teilnehmerzahl auf: etwa 600, davon 5 Abendländer.
Die Synoden von 325, 381 und 431 wurden als ökumenische Synoden bestätigt, die Beschlüsse der Räubersynode von 449 für ungültig erklärt. Dioskur wurde abgesetzt und vom Kaiser — ebenso wie Eutyches — in die Verbannung geschickt. Die beiden Antiochener Theodoret von Gyrus und Ibas von Edessa wurden voll rehabilitiert (Domnus von Antiochien war bereits gestorben).
Das Glaubensbekenntnis von Chalcedon hatte den Lehrbrief Leos 1. zur Grundlage und lautete:
„Den heiligen Vätern folgend, lehren wir alle übereinstimmend, als einen und denselben Sohn unseren Herrn Jesus Christus zu bekennen. Derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe vollkommen in der Menschheit, zugleich wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus Vernunftseele und Leib, mit dem Vater wesenseins der Gottheit nach und zugleich mit uns wesenseins der Menschheit nach, in jeder Hinsicht uns ähnlich, ausgenommen die Sünde. Vor den Zeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, ist derselbe am Ende der Tage um unseretwillen und unseres Heiles wegen aus Maria der Jungfrau, der Gottesgebärerin, der Menschheit nach hervorgegangen. Wir bekennen ihn, als einen und denselben Christus, Sohn, Eingeborenen, in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt, ungetrennt, ungesondert erkannt, wobei keineswegs die Verschiedenheit der Naturen um der Einung willen aufgehoben wird, sondern die Eigentümlichkeit einer jeden Natur erhalten bleibt und sich zu einer Person (griech.: Prosopon) und einer Hypostase verbindet. Wir bekennen ihn nicht als in zwei Personen gespalten und getrennt, sondern als einen und denselben Sohn, Eingeborenen, Gott, Logos, Herrn, Jesus Christus, wie vorzeiten die Propheten über ihn und dann er, Jesus Christus, selbst uns unterwiesen haben und wie es das Symbol der Väter uns überliefert hat.“
Damit war sowohl der Nestorianismus als auch der Monophysitismus verurteilt worden. (Gegen die Nestorianer gerichtet war: „ungetrennt, ungesondert“, gegen die Monophysiten: „in zwei Naturen unvermischt, unverwandelt“.)
Nachwirkungen des Konzils
Die Konzilsbeschlusse stießen auf den erbitterten Widerstand der Monophysiten. Das geht zum Beispiel aus dem Glaubensbekenntnis des Monophysiten Philoxenus von Mabbug (gest. 523) hervor:
,,Wir verdammen das Konzil von Chalcedon, weil es in dem einen Herrn Jesus Christus, dem einziggeborenen Sohn Gottes, eine Unterscheidung vornimmt in Naturen, Attribute und Tätigkeiten, in himmlische und irdische Merkmale, göttliche und menschliche Eigenschaften. Es sieht ihn an, als sei er zwei, und führt so die Vorstellung von vier (Personen in die Dreieinigkeit) ein. Es betet einen gewöhnlichen Menschen an, und in jeder Einzelheit umschreibt es ihn als ein Geschöpf; es stimmt mit dem verderblichen Nestorius überein, der verflucht und zur Vernichtung bestimmt ist. Aus diesem und vielen ähnlichen Gründen haben wir das Konzil von Chalcedon verdammt und werden es stets verdammen.“
Die Monophysiten hatten zwar eine gemeinsame Grundidee, zerfielen aber in viele Splittergruppen. Neben extremen Monophysiten gab es solche, die die Entscheidungen von Chalcedon deshalb nicht anerkannten, weil sie in ihren Augen dem Nestorianismus keine eindeutige Absage erteilt hatten.
Es gab auch Gruppen, die den Leib Christi (vor der Auferstehung) nicht als vergöttlicht betrachteten; ihrer Meinung nach habe Christus zwar eine (zusammengesetzte) Natur besessen; aber dies sei genauso wie beim Menschen zu erklären, bei dem sich ja auch Leib und Seele vereinigt haben. Einige Gruppen hielten den Leib Christi für unverweslich, manche auch für nicht erschaffen.
Die Monophysiten in ihrer Gesamtheit stellten nun einen gefährlichen Unruheherd im Reich dar. Oftmals verbanden sich mit den religiösen Motiven auch politische Bestrebungen (vor allem in Syrien und Ägypten), die auf eine Loslösung vom Reich abzielten.
Unter Einsatz aller Mittel brachten die Monophysiten die Patriarchate Alexandrien, Antiochien und Jerusalem in ihre Gewalt. Kaiser Leo 1. (457—474) setzte die Monophysiten zwar wieder ab, was jedoch ihrer Machtentfaltung nur kurzzeitig Einhalt gebot. Bald hatten sie viele Bischofssitze in ihren Händen und erhielten nach dem Tode Leos 1. Unterstützung von dem Usurpator Basiliskus (475—476). Dieser erließ als erster christlicher Kaiser ein Glaubensedikt; darin wurde sowohl der Lehrbrief des Papstes Leo I. als auch das Glaubensbekenntnis von Chalcedon anathematisiert (verdammt); 500 morgenländische Bischöfe leisteten ihre Unterschrift. Allen Gegnern wurden Strafen angedroht.
Basiliskus wurde im Jahre 476 von Kaiser Zeno (474—471) besiegt. Dieser versuchte, den Religionsfrieden im Reich wiederherzustellen. Im Jahre 482 gab er ein Religionsgesetz (das „Henotikon“) heraus; Patriarch Akacius von Konstantinopel hatte es in Übereinkunft mit dem Patriarchen Petrus Mongus von Alexandrien, einem Monophysiten, formuliert. Es beschwor jedoch nur erneute Streitigkeiten herauf, da es weder für die eine, noch für die andere Partei annehmbar war; es hatte das Konzil von Chalcedon indirekt verworfen — das war für die Monophysiten zu wenig, für die Dyophysiten zu viel.
Die Auseinandersetzungen mit Rom, die sich als Folge des Henotikon ergaben, endeten damit, dass Papst Felix II. (483 bis 492) den Bann über Akacius aussprach. Dies war der Anlass für eine Kirchenspaltung zwischen Rom und Konstantinopel, das Akacianische Schisma (484—519). In dieser Zeit breitete sich der Monophysitismus im Orient noch mehr aus. Kaiser Anastasius (491—518), der die Monophysiten begünstigte, gelang es nicht, wieder eine Versöhnung mit Rom herbeizuführen; dies erreichte erst Kaiser Justin (518—527). Alle Bemühungen, die Monophysiten wieder in die Kirche zurückzuführen, hatten nicht den erhofften Erfolg (s. auch Kapitel 11). Der Monophysitismus blieb als selbständige Lehre bestehen; häufig verband sich damit auch eine kulturelle Loslösung vom Griechentum. So bildeten sich in einigen Ländern nationale Kirchen aus, die teilweise auch heute noch bestehen, zum Beispiel in Ägypten (die Kopten), in Syrien (die Jakobiten), außerdem in Armenien, Mesopotamien, Abessinien.
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Kapitel 11
Die Ära Justinian
„Unter Kaiser Justinian 1. (527—565), Nachfolger des Kaisers Justin, erlebte das byzantinische Reich noch einmal Tage des Glanzes und Ruhmes. Das Ziel des großen Herrschers war die Wiederaufrichtung des römischen Weltreiches auf christlicher Grundlage. Diesem Ziele dienten seine siegreichen Kriege gegen Vandalen und Ostgoten, seine Maßregeln zur Ausrottung des Heidentums und der Häresie, das Riesenwerk der Gesetzeskodifikation und eine unermüdliche organisatorische Tätigkeit in Staat und Kirche, zahlreiche herrliche Kirchenbauten, vor allem in Konstantinopel und Ravenna. Die Kirche des Reiches beherrschte Justinian vollständig; sein Zeitalter ist die klassische Epoche des Cäsaropapismus. Als theokratischer Herrscher und Schützer der Orthodoxie hielt er sich für berechtigt und verpflichtet, Dogma und kirchliche Disziplin bis ins einzelne zu normieren und zugleich staatlichen Zwecken dienstbar zu machen. Für Fragen des Glaubens lebhaft interessiert, trat er selbst als theologischer Schriftsteller und Disputator auf. Seine Einmischung in die Glaubensstreitigkeiten stürzte freilich das Reich in neue unheilvolle Wirren, und die Hauptaufgabe, die er sich setzte, die Monophysiten mit der Kirche wieder zu versöhnen, blieb ungelöst.“
11.1
Monophysitische Wirren
,,Die Kaiserin Theodora (gest. 548), Justinians kluge und energische Gemahlin, war im stillen dem Monophysitismus zugetan, der die Interessen der Frömmigkeit besser zu wahren schien. Auf ihr Betreiben wurde ein geheimer Monophysit, Anthimus, auf den Bischofsstuhl der Hauptstadt (Konstantinopel) erhoben (533). Als aber bald nachher Papst Agapet (535—536) in Konstantinopel erschien, bewirkte er beim Kaiser seine Ersetzung durch den orthodoxen Mennas (536). Agapet starb unerwartet rasch während seines Aufenthaltes in der Residenz (April 536). Nun suchte die ränkevolle Kaiserin den Monophysitismus sogar nach Rom zu verpflanzen, um ihn mit Hilfe des Papsttums zur Herrschaft zu bringen. Der ehrgeizige römische Archidiakon Vigilius, Apokrisiar, d.i. päpstlicher Gesandter am byzantinischen Hofe, ging auf ihren Antrag ein und erlangte unter Verdrängung des gotenfreundlichen rechtmäßigen Papstes Silverius (536 bis 537) mit Hilfe des kaiserlichen Feldherrn Belisar 537 in der Tat den römischen Bischofsstuhl.
Silverius starb bald im Elend des Exils auf der Insel Pontia (Dezember 537), und Vigilius wurde nun allgemein anerkannt. Aber zu einer offenen Erklärung zugunsten des Monophysitismus war er nicht zu bewegen und konnte bei der einmütigen Haltung des Abendlandes wohl auch nicht anders. In einem Schreiben an den Kaiser und den Patriarchen Mennas bekannte er sich ausdrücklich zum Chalcedonense (540). Die Stellung der Monophysiten blieb aber während der ganzen Regierung Justinians im Orient bedeutend.“
Vor allem in Armenien und Ägypten gewannen die Monophysiten immer mehr Einfluss.
Zur Verdeutlichung der politischen Lage Italiens:
Unter den letzten weströmischen Kaisern hatten die germanischen Söldnerführer immer mehr Macht bekommen, da sie für die Verteidigung des Reiches nötig waren. Der letzte weströmische Kaiser Romulus Augustulus war schließlich von dem germanischen Söldnerführer Odoakar im Jahre 476 abgesetzt worden; dieser ernannte sich selbst zum König von Italien. Mit Einverständnis des oströmischen Kaisers fielen die Ostgoten in Italien ein; im Jahre 493 wurde Odoakar von dem Ostgotenkönig Theoderich getötet; Theoderich beherrschte nun Italien. Nach seinem Tod kam es zu Zwistigkeiten zwischen den Ostgoten und dem oströmischen Kaiser. Zwei Jahrzehnte lang versuchte Ostrom, Italien wieder in seine Macht zu bekommen. In dieser Zeit wurde Rom fünfmal belagert. Die Eroberung Roms im Jahre 536 durch den oströmischen Feldherrn Belisar ermöglichte die Ernennung des Vigilius zum Papst. Erst im Jahre 553 wurden die Ostgoten endgültig von Belisars Nachfolger, Narses, besiegt.
11.2 Origenistische Wirren (2. Origenistische Streit)
Wie bereits (in Kapitel 6) geschildert, wurden um das Jahr 400 origenistische Mönche aus Ägypten vertrieben, die sich zum Teil in Palästina niederließen. In der nun folgenden Zeit schlossen sich vor allem gebildete Mönche dem Origenismus an, ebenso wie es im ägyptischen Mönchtum der Fall gewesen war. Die Origenisten hatten bereits seit langer Zeit unterschiedliche Auffassungen von der Auslegung der ursprünglichen Lehre, was zu Spaltungen und gegenseitigen Anfeindungen führte:
Die Isochristen vertraten die Meinung: Alle Seelen, die gleichzeitig erschaffen wurden, waren einander gleich; auch die Seele Christi gleiche der menschlichen Seele. Am Ende der Entwicklung gebe es keinen Unterschied mehr zwischen Christus und den Menschen.
Die Protoktisten lehrten: Die (präexistierende) Seele Christi ist anders als die menschliche Seele, weil sie als erste unter allen anderen erschaffen wurde. Die Protoktisten entfernten sich immer mehr aus dem Lager der Origenisten und näherten sich der katholischen Seite, also der offiziell vertretenen Lehrmeinung.
Die Origenisten traten also im 6. Jahrhundert nicht mehr als einheitliche Gruppe auf; auch ihre Sympathien zu anderen Gruppen waren nicht mehr auf einen Nenner zu bringen. Gemeinsamkeiten dürften vor allem mit einem Großteil der Monophysiten bestanden haben; das Verbindende war die Lehre von der einen Natur Christi, die auch Origenes vertreten hatte (s. Kapitel 8); daneben gab es allerdings auch Streitpunkte zwischen beiden Gruppen. Bei all dem ist es wichtig, zu wissen, dass die im 6. Jahrhundert vertretene Meinung der Origenisten nicht unbedingt mit der ursprünglichen Lehre des Origenes übereinstimmt.
,,Die sog. neue Laura bei Thekoa war das Hauptlager der Origenisten, ihr Hauptgegner der hl. Sabas, Abt der alten oder großen Laura bei Jerusalem und Oberhaupt der palästinensischen Mönche. Seine Bemühungen, den Kaiser Justinian gegen Origenes zu stimmen, waren anfangs erfolglos. Nach seinem Tode (532) gewann die origenistische Richtung in Palästina und darüber hinaus sogar noch weitere Verbreitung; zwei ihrer Anhänger, die gelehrten Mönche Domitian und Theodor Askidas, wurden durch Justinian auf Bischofsstuhle (Ancyra und Cäsarea in Kappadozien) befördert (537). Aber bald darauf folgte ein Umschlag. Der Oberabt Gelasius vertrieb über 40 Origenisten aus der alten Laura. Als diese sich ihrerseits mit Hilfe der Bauern zu Ausschreitungen gegen ihre Gegner hinreißen ließen und beide Teile weitere Unterstützung fanden, trugen die Antiorigenisten (Sabaiten) den Sieg davon. Sie bestimmten den Patriarchen Ephram von Antiochien zu einer formellen Verurteilung des Origenismus, und der Patriarch Peter von Jerusalem sandte eine von ihm ausgearbeitete Klageschrift gegen die Origenisten an den Kaiser (542).
Justinian, der so gern theologisierte, erließ 543 ein Edikt, in welchem neun Sätze des Origenes und seine Person verurteilt waren; sein Name war ferner dem Verzeichnis der Ketzer beigefügt, die von den Bischöfen und Äbten bei ihrem Amtsantritt anathematisiert (— verdammt, verworfen) werden mussten. Origenes, der größte Theologe der griechischen Kirche, der Sohn eines Märtyrers und selbst Konfessor, war so mit Arius (s. Kapitel 3) und anderen Häretikern auf eine Linie gestellt! Aber da alle Bischöfe des Reiches, auch Mennas von Konstantinopel und Papst Vigilius (537—555) dem Edikte zustimmten, so hatte ihn tatsächlich die Gesamtkirche dreihundert Jahre nach seinem Tode in der schärfsten Form verdammt.“
Bei diesen Vorgängen hatte der Hofpatriarch Mennas die Antiorigenisten unterstützt. Eifersüchtig auf Theodor Askidas, hatte er erwartet, dass dieser — bekannt als Origenist — die Unterschrift unter das Edikt verweigern und damit seine Macht verlieren würde. Es geschah jedoch das Gegenteil: Askidas unterschrieb (zum Schein?) und behielt seine Schlüsselstellung am Kaiserhof.
11.3 Der Drei-Kapitel-Streit
Bischof Theodor Askidas nutzte weiterhin seinen großen Einfluss bei Hof: Da er selbst Origenist war, wollte er eine weitere Verfolgung der Origenisten verhindern und wählte dazu ein wirksames Mittel: Er lenkte den Sinn des Kaisers auf eine andere wichtige Angelegenheit, die ihn fortan ganz in Anspruch nehmen sollte.
Seit dem Konzil von Chalcedon (s. Kapitel 10) war es immer aussichtsloser geworden, die Monophysiten wieder in die Kirche zurückzuführen. Die politische Einheit des Reiches war dadurch ernsthaft bedroht.
Theodor Askidas machte nun dem Kaiser einen Vorschlag, wie die Monophysiten wieder zu versöhnen seien: Der Kaiser müsse sich nur eindeutig gegen führende Theologen der antiochenischen Schule aussprechen, die als Verfechter der Zwei-Naturen Lehre aufgetreten waren. Diesem Rat folgend, erließ Kaiser Justinian im Jahre 544 (eventuell auch schon im Jahre 543) ein Edikt gegen die sogenannten „Drei Kapitel“. Darin sprach er das Anathem (die Verdammung) über:
a) Person und Schriften des Theodor von Mopsuestia (er war der Lehrer und geistige Vater des Nestorius), s. Kapitel 13, 2;
b) die Schriften des Theodoret von Cyrus, in welchen er Cyrill und die Beschlüsse von Ephesus angreift und Nestorius verteidigt, s. Kapitel 9 und 10;
c) einen ähnlichen Brief des Ibas von Edessa an den Perser Maris, in welchem er Theodor verteidigt und ebenfalls Cyrill angreift, s. Kapitel X; (ein Perser als Adressat war aus einem bestimmten Grund verdächtig: Persien war eine Hochburg der Nestorianer geworden; daß man sie am persischen Hof unterstützte, war ein Ausdruck politischer Gegnerschaft zum römischen Reich).
Da das Konzil von Chalcedon (451) Theodoret von Cyrus und Ibas von Edessa restituiert hatte, wurde es von den Monophysiten des Nestorianismus bezichtigt. Dieser „Stein des Anstoßes“ sollte nun durch die Verwerfung der Drei Kapitel beseitigt werden. Kaiser Justinian konnte mit dieser Maßnahme aber noch mehr erzielen:
— Kaiserin Theodora war dadurch zufriedengestellt;
— die Origenisten begrüßten die Verurteilung des Theodor von Mopsuestia, weil er den Origenismus bekämpft hatte;
— auch einige Sabaiten, die Gegner der origenistischen Mönche (s. Kapitel 11, 2), feindeten die Schriften des Theodor von Mopsuestia an — seine Verurteilung war also in ihrem Sinne.
Es war das Bestreben des Kaisers, alle Unruheherde im Reich zu beseitigen, da sie ihn an der Verwirklichung seiner politischen Ziele hinderten. Gleichzeitig beschwor er dadurch aber neuen Aufruhr herauf; denn trotz seiner Beteuerung, er wolle die Konzilsbeschlüsse nicht antasten, war die Verurteilung der Drei Kapitel doch eine Anfechtung dieser Beschlüsse.
Selbst die morgenländischen Bischöfe unterschrieben deshalb erst, als ihnen der Kaiser mit Absetzung drohte. Der Hofpatriarch Mennas leistete seine Unterschrift mit dem Vorbehalt, dass er sie nur geben könne, wenn auch der Papst einverstanden sei. Der päpstliche Legat Stephan, der eine entschiedenere Ablehnung des kaiserlichen Ediktes forderte, entzweite sich daraufhin mit Mennas.
Eindeutiger Widerstand erhob sich von seitens der abendländischen Bischöfe. Dies hatte für den Kaiser auch politische Bedeutung: Da sich Italien fast ganz in der Hand der Ostgoten befand, die auch noch Unterstützung vom einfachen Volk erhielten, fiel in den Augen des Kaisers dem Klerus die wichtige Aufgabe zu, das Land durch seine Kaisertreue wieder an das oströmische Reich zu binden, so lange kein militärischer Sieg möglich war. Justinian plante nun, zuerst den Papst zur Annahme seines Edikts zu bewegen, um damit auch die abendländischen Bischöfe für sich zu gewinnen.
Der Papst sollte aus diesem Grund nach Konstantinopel kommen; unter entsprechenden Druck gesetzt, reiste Papst Vigilius schließlich am 22. 11. 545 von Rom ab; nach mehreren Aufenthalten traf er am 25. 1. 547 in Konstantinopel ein.
Dort trat bald der Gegensatz zum Kaiser und zum Hofpatriarchen Mennas offen zutage. Mennas ließ den Papst aufgrund dessen aus den Diptychen streichen. Zeitweise wurde der Papst sogar seiner persönlichen Freiheit beraubt. Viele morgenländische Bischöfe standen auf seiten des Kaisers. Auf Drängen des Kaisers erklärte sich der Papst dann doch verhandlungsbereit, worauf er wieder in die Diptychen aufgenommen wurde.
Am 11. 4. 548 gab der Papst sein „Iudicatum“ heraus, in welchem er gleichzeitig die „Drei Kapitel“ verurteilte und alle bisherigen vier ökumenischen Konzilien bekräftigte.
„Dieser Schritt des Papstes rief unter den Abendländern die größte Aufregung hervor. Man sah darin einen Triumph des Cäsaropapismus Justinians, eine unerlaubte Begünstigung der Monophysiten und eine Untergrabung der Autorität des Konzils von Chalcedon. Die Afrikaner unter Führung des Bischofs Reparatus von Karthago schlossen Vigilius geradezu aus ihrer Kirchengemeinschaft aus, bis er Buße tue (550). Facundus, Bischof von Hermiane, und andere afrikanische Theologen eröffneten eine scharfe literarische Polemik gegen die Justinianische Kirchenpolitik und zur Verteidigung der „Drei Kapitel“. Unter diesen Umständen wurde zwischen Papst und Kaiser das Übereinkommen getroffen, dass zur Beilegung der Wirren eine allgemeine Synode veranstaltet und bis dahin in der Sache nichts weiter getan werden solle.“
Der Kaiser wollte damit auch die Zustimmung der abendländischen Bischöfe erreichen; deren Gegnerschaft hätte sich, wie bereits erwähnt, für ihn politisch verhängnisvoll ausgewirkt. Nun ließ der Kaiser vorübergehend Milde gegen Vigilius walten: Er gab ihm sein „Iudicatum“ zurück. Es wird jedoch überliefert, dass Vigilius dem Kaiser auf Eid versprechen musste, die Ablehnung der „Drei Kapitel“ auf dem Konzil zu veranlassen.
Entgegen den getroffenen Vereinbarungen veröffentlichte der Kaiser im Juli 551 ein neues Edikt „de recta fide“ gegen die „Drei Kapitel“, was auf den Einfluss von Theodor Askidas (Monophysit und Origenist, genannt in den Kapiteln 11, 2 und 3) zurückzuführen war. Dies verschärfte den Gegensatz zwischen den morgenländischen und den abendländischen Bischöfen, die sich bereits wegen des Konzils in Konstantinopel befanden. Um die Unterstützung der Abendländer wieder zu gewinnen, die er als Papst nun einmal benötigte, zeigte sich Vigilius dem Kaiser gegenüber nicht mehr gefällig sondern erhob Einspruch gegen das Edikt.
Daraufhin gab der Kaiser Befehl zur Gefangennahme des Papstes. Dieser flüchtete am 14.8.551 zusammen mit 13 abendländischen Bischöfen in eine Kirche; dort wollte er verkünden, dass er sowohl Theodor Askidas als auch Mennas aus der Kirchengemeinschaft ausschließe. Das kaiserliche Militär versuchte, ihn mit Gewalt aus der Kirche zu entfernen, was beim Volk großen Aufruhr verursachte. Der Kaiser erkannte, dass er zu weit gegangen war, und versprach, für die Sicherheit des Kirchenoberhauptes zu sorgen. Als der Papst jedoch in seinen Palast zurückgekehrt war, sah er sich doch als Gefangenen behandelt und von Intrigen umgeben. Daher floh er, begleitet von seinen Bischöfen, am 23. 12. 551 nach Chalcedon, um in der dortigen Konzilskirche Asyl zu suchen. Im Januar 552 ließ er von dort aus das Dekret gegen Theodor Askidas und Mennas veröffentlichen; am 5.2.552 richtete er ein Rundschreiben an die ganze Christenheit.
Am kaiserlichen Hof suchte man nun einzulenken. An der Spitze der morgenländischen Bischöfe entschuldigten sich Theodor Askidas und Mennas beim Papst; alles, was bisher gegen die ,Drei Kapitel“ unternommen worden sei, wäre vorläufig ungültig. Der Papst kehrte nach Konstantinopel zurück.
11.4
Das 5. Ökumenische Konzil zu Konstantinopel
Nachfolger des im Jahre 552 verstorbenen Hofpatriarchen Mennas war Eutychius geworden. Dieser überreichte dem Papst am 6.1.553 ein Glaubensbekenntnis und bat ihn um Klärung des Drei-Kapitel-Streits durch ein allgemeines Konzil; in einem Brief vom 8. 1. 553 erklärte sich der Papst damit einverstanden. Doch nun begann zwischen Kaiser und Papst eine Auseinandersetzung um den Tagungsort und die Teilnehmer. Vigilius verlangte, dass ebenso viele abendländische wie morgenländische Bischöfe anwesend sein sollten und dass das Konzil im Abendland (Italien oder Sizilien) stattfinden solle. Eine Einigung mit dem Kaiser kam nicht zustande.
Da der Kaiser die Wünsche des Papstes über die Durchführung des Konzils nicht berücksichtigt hatte, war es dem Papst klar, dass die Entscheidung über die „Drei Kapitel“ wieder vom Kaiser (mit Unterstützung der morgenländischen Bischöfe) erzwungen würde. Daher zog er sein früheres Einverständnis zurück und verweigerte die Teilnahme.
Was sich zwischen dem 8. 1. 553 und dem 5. 5. 553 (der Konzilseröffnung) abgespielt hat, ist nicht genau überliefert. Die Nachforschungen von F. Diekamp und J. Straub ergeben folgendes:
Die zum Konzil geladenen Bischöfe waren bereits in Konstantinopel anwesend; die Verhandlungen über die „Drei Kapitel“ konnten jedoch wegen der ablehnenden Haltung des Papstes nicht beginnen.
Das Konzil war ursprünglich nur wegen des Drei-Kapitel Streites einberufen worden. Seit dem Herbst des Jahres 552 verlangte jedoch auch der origenistische Streit in Palästina eine neue Entscheidung. Trotz des Edikts von 543 gegen Origenes und den Origenismus war keine Ruhe im palästinensischen Mönchtum eingekehrt. Es kam immer wieder zu Kämpfen zwischen Origenisten und ihren Gegnern.
Seit 547 war der Bruch innerhalb der Origenisten in Isochristen und Protoktisten (s. Kapitel 11, 2) offen zutage getreten. Im Sommer 552 vereinigten sich die Protoktisten, die auch die Präexistenz der Seelen ablehnten, mit den Orthodoxen; daraufhin reisten Vertreter der Protoktisten und der orthodoxen palästinensischen Mönche nach Konstantinopel, um Kaiser Justinian eine Schrift gegen die Isochristen zu überreichen.
Während ihres Aufenthaltes in Konstantinopel verstarb im Oktober 552 Patriarch Petros von Jerusalem. Die Isochristen bestimmten daraufhin eigenmächtig einen aus ihren Reihen, Makarios, zu seinem Nachfolger und verursachten damit erneute Unruhen in Jerusalem. Darüber war der Kaiser so erzürnt, dass er Makarios sofort wieder absetzte und die Klageschrift gegen die Origenisten (Isochristen) um so bereitwilliger annahm.
Der Kaiser hatte nun vor, den Origenismus durch die in Konstantinopel versammelten Bischöfe verdammen zu lassen und so die Streitigkeiten in Palästina endlich zu einem Abschluss zu bringen. Der Papst erklärte sich — noch vor den Verhandlungen — in einem Brief an Justinian damit einverstanden. Da er jedoch alles daransetzte, die geplante ökumenische Synode in der vom Kaiser festgelegten Form zu verhindern, stimmte er der Eröffnung eines allgemeinen Konzils — selbst für Beratungen, die in seinem Sinne waren — nicht zu.
Kaiser Justinian schickte an dieselbe Synode, die später die „Drei Kapitel“ verwarf, einen Brief über den Origenismus der Isochristen, dem 15 Anathematismen angefügt waren. Etwa im März/April 553 verwarf diese Synode den Origenismus, wobei sie die 15 Anathematismen des Kaisers übernahm.
Da dies alles vor der eigentlichen Konzilseröffnung am 5. 5. 553 (Beginn der Sitzungen über die ,Drei Kapitel“) stattfand, wird in manchen Quellen die Verdammung des Origenes und des Origenismus auf dem 5. ökumenischen Konzil zu Konstantinopel gar nicht erwähnt; das heißt, in diesen Quellen werden die oben genannten 15 Anathematismen nicht als Konzilsentscheidungen gewertet.
Im Gegensatz dazu berichten viele Quellen von der Verdammung des Origenes und des Origenismus auf dem 5. ökumenischen Konzil, oftmals unter besonderem Hinweis auf die Präexistenz der Seelen und die Apokatastasis (s. Kapitel 12, 2).
,Wichtig sind dabei vor allem die Zeugnisse aus der ersten Zeit nach dem Konzil, so z. B. von:
a) Evagrios, Kirchenhistoriker, geb. um 536;
b) Kynllos von Skythopolis, Kirchenhistonker, Zeugnis v. 557;
c) Eulogios, Patriarch von Alexandrien, 5 80—607;
d) Verfasser der Osterchronik (anonym) aus Byzanz, 630—641;
e) Sophronius, Patriarch vonJerusalem, Zeugnis von 634;
f) Georgios, Mönch und Presbyter, um 639;
g) Anastasios Sinaites, Traktat entstanden 692—695;
h) Georgios Monachos, Chronist, 842—867.
Von Evagrios, Anastasios Sinaites und Georgios Monachos ist bekannt, dass sie gute Sachkenntnis über die Konzilsakten besaßen.
Die Aussagen der oben genannten Autoren werden bekräftigt durch die Akten der Lateransynode (649), des 6. ökumenischen Konzils zu Konstantinopel (680—68 1) und der Trullanischen Synode (692).
*
Am 5. 5. 553 wurden die Sitzungen des 5. ökumenischen Konzils über die „Drei Kapitel‘ ohne den Papst (weil der Kaiser keinen weiteren Aufschub duldete) von dem neuen Hofpatriarchen Eutychius eröffnet. Der Kaiser selbst war zwar nicht anwesend, das schmälerte jedoch seine Einflussmöglichkeiten nicht. Die 151 anwesenden Konzilsväter waren überwiegend Morgenländer. Die Sitzungen verliefen ganz im Sinne des Kaisers.
Am 14. Mai verbot der Papst in seinem „Constitutum 1“ die Verurteilung der „Drei Kapitel“; 16 Bischöfe (in der Mehrheit Abendländer) unterzeichneten. Dieses Schriftstück wurde den Kaiser übermittelt, der jedoch die Annahme verweigerte. In der 7. Sitzung am 26. 5. 553 wurde den Versammelten mitgeteilt, dass der Kaiser den Namen des Papstes aus den Diptychen streichen lasse; dies wurde von der Synode gebilligt.
Mit der 8. Sitzung am 2.6. 553 endete das Konzil. Das Ergebnis waren 14 Anathematismen, die in der Hauptsache vom Kaiser verfasst waren, das heißt, sie enthalten die 13 Capitula des Edikts von 551 „de recta fide“ — weitgehend wörtlich. Sie befassen sich mit der Trinität, der Menschwerdung Jesu und speziell mit den „Drei Kapiteln“. Canon 11 verurteilt Häretiker, die bereits von vorausgehenden Konzilien verurteilt worden waren, so z. B. Arius, Nestorius, Apollinaris. Origenes wird in Canon 11 erstmals auch als Häretiker genannt, seine Person und Lehre verdammt. Das Edikt von 551 enthielt den Namen des Origenes noch nicht.
Das Kapitel 12 geht nochmals auf die Beschlüsse des Konzils ein.
Es werden 166 Unterschriften unter den 14 Canones überliefert, das sind 15 oder 16 Namen mehr, als die Anwesenheitsliste der 8., der letzten Sitzung aufweist. Da die griechischen Originalakten nicht mehr vorhanden sind, lässt es sich nicht mehr „ermitteln, ob die… aufgeführten zusätzlichen Unterschriften derjenigen Bischöfe, die nicht am Konzil teilgenommen hatten, bereits in der ersten Fassung der Akten überliefert waren.“30 .Der Papst verschlimmerte seine Lage dadurch, dass er sich weigerte, die Konzilsentscheidungen anzuerkennen; wieder bekam er die Macht des Kaisers zu spüren: Er wurde schlecht behandelt, seine drei römischen Diakone wurden verbannt oder gefangengenommen.
Der Kaiser hatte die Gunst des abendländischen Klerus nicht mehr so nötig, seit sein Feldherr Narses im Frühjahr 553 die Ostgoten besiegt hatte und damit Italien wieder dem oströmischen Reich einverleibt war. Schließlich fügte sich Vigilius — krank und zermürbt — dem Willen des Kaisers: Am 8. 12. 553 (Epistula II ad Eutychium) und nochmals am 23. 2. 554 (Constitutum II) erklärte er sich bereit, die Konzilsentscheidungen anzuerkennen. Diese beiden Schriftstücke enthalten die Verurteilung der „Drei Kapitel“ durch den Papst und gelten als seine Anerkennung der Konzilsentscheidungen (die 14 Canones selbst weisen keine Unterschrift des Papstes auf).
Erst durch diesen Schritt waren die Zerwürfnisse zwischen Kaiser und Papst aus dem Wege geräumt. Vigilius erhielt seine Freiheit wieder. Ende 554 oder Anfang 555 reiste er aus Konstantinopel ab, aber er verstarb auf dem Wege nach Rom am 7.6.555.
11.5 Zusammenfassung des Zeitalters Justinians
a) Die zur 5. ökumenischen Synode nach Konstantinopel einberufenen Konzilsväter verurteilten noch vor den Sitzungen über die „Drei Kapitel“ auf Weisung des Kaisers den Origenismus in 15 Anathematismen. Diese Entscheidung war vor allem gegen die Isochristen, die origenistischen Mönche in Palastina, gerichtet (s. Kapitel 11, 2).
Kaiser Justinian zog daraus aber auch Nutzen für seine Einigungsversuche zwischen Monophysiten und Dyophysiten, da dies auch als Zugeständnis an die Dyophysiten gewertet werden konnte, deren Zwei-Naturen-Lehre die offizielle Lehrmeinung Roms war und ist.
Die Dyophysiten hatten Origenes wegen seiner Lehre von der einen Natur Christi (s. Kapitel VIII, 1) und auch wegen anderer Punkte seiner Lehre bekämpft — die Monophysiten (wenigstens ein großer Teil vor, ihnen) hatten Origenes aus demselben Grunde geschätzt.
Mit der Verdammung des Origenismus wurde gleichzeitig auch die Lehre von der Präexistenz und der Seelenwanderung, die dann enthalten war, verurteilt; dasselbe gilt für die Lehre von der Reinkarnation.
Ob nun die 15 Anathematismen zu den Konzilsentscheidungen im engeren Sinne gezählt werden können oder nicht, gehört zu den Streitfragen der Kirchenhistoriker. Jedenfalls wird in Can. 11 der 14 Anathematismen gegen die „Drei Kapitel“, die allgemein als Konzilsentscheidungen gelten, Origenes erstmals als Häretiker genannt.
b) Nach 8 Sitzungen vom 5.5. 553 bis zum 2.6.553 wurden, dem Willen des Kaisers entsprechend, 14 Anathematismen über die „Drei Kapitel“ (s. Kapitel XI, 3) ausgesprochen. Wer dem nicht zustimmte, musste mit Bann oder Absetzung rechnen. Damit wollte Kaiser Justinian erreichen, dass der christologische Streit, der seit dem Konzil von Ephesus (431) angedauert hatte, zu einem Abschluss kam — und zwar zu Gunsten der Monophysiten; durch dieses Entgegenkommen hoffte der Kaiser, die Monophysiten wieder mit der Kirche vereinigen zu können. Die Verurteilung der „Drei Kapitel“ war gleichzeitig auch eine Entscheidung, die sowohl von den Origenisten als auch von einem Teil der Sabaiten begrüßt wurde (s. Kapitel 11,3).
Die Beschlüsse des Konzils von Konstantinopel im Jahre 553 waren — nahezu wörtlich — vom Kaiser selbst verfasst worden (sowohl gegen den Origenismus als auch gegen die „Drei Kapitel“). Diese Beschlüsse sollten der Einheit des Reiches zugute kommen: Sie hatten den Zweck, miteinander verfeindete Parteien zu versöhnen und Unruheherde zu beseitigen. Dass dies durch Glaubensentscheidungen überhaupt möglich, bzw. nötig war, lag an der engen Verflechtung von Kirche und Staat.
Der Kaiser hatte nun sowohl eine Entscheidung im Sinne der Monophysiten (b) als auch eine Entscheidung im Sinne der Dyophysiten (a) gefällt; dadurch sollte eine Einigung der beiden sich befehdenden Parteien zustande kommen. Wenn man sich vor Augen hält, in welche Wirren die monophysitischen Streitigkeiten das Reich bereits gestürzt hatten (s. Kapitel 10), wird es klar, dass es für den Kaiser eine politische Notwendigkeit war, diesen Konflikt aus der Welt zu schaffen — um welchen Preis auch immer.
Ebenso war es wichtig, dass wieder Ruhe unter den palästinensischen Mönchen einkehrte, eine Entscheidung gegen die Origenisten, bzw Isochristen (a) sowie eine Entscheidung im Sinne der Origenisten (b) sollten dazu verhelfen. Diese Beschlüsse konnten jedoch nur den Rang von Konzilsentscheidungen erhalten, wenn der Papst seine Zustimmung gab (s. Kapitel II). Dass die Synode von Konstantinopel im Jahre 553 als ökumenische Synode anerkannt wurde, lag nur daran, dass der Kaiser dies mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vom Papst erzwang.
11.6 Nachwirkungen des Konzils
„Auch die folgenden Päpste anerkannten die Synode von Konstantinopel als fünfte allgemeine. Nicht so rasch aber ließen sich die übrigen lateinischen Kirchen dazu bewegen, wie überhaupt jene Vorgänge dem Ansehen des Papsttums und noch mehr dem des Kaisertums im Abendland schwer geschadet hatten. Die afrikanischen Bischöfe folgten zum größeren Teile erst nach einigen Jahren. Die Kirchenprovinzen Mailand und Aquileja zögerten noch länger. Sie trennten sich wegen der Streitfrage eine Zeitlang sogar vom römischen Stuhle; der Einfall der Langobarden in Italien im Jahre 568 begünstigte ihre Opposition, da er dem Kaiser die Anwendung von Gewaltmaßregeln verbot. Das Schisma erlosch erst unter Papst Sergius 1. (687—701) völlig. Geraume Zeit war es übrigens auf einen ziemlich kleinen Umfang beschränkt. Die Mailänder kehrten schon seit 570 allmählich zur Gemeinschaft mit der römischen Kirche zurück. Der unter byzantinischer Herrschaft stehende Teil von Aquileja-Grado unierte sich dagegen erst 607.
Die Monophysiten kehrten nicht mehr in die Kirchengemeinschaft mit Rom zurück. Im 7. Jahrhundert wurden nochmals Versuche gemacht, die Monophysiten durch die Anerkennung der Lehre von dem einen Willen in Christus (Monotheletismus) wieder mit der Kirche zu vereinen. Das 6. ökumenische Konzil zu Konstantinopel (680—681) verwarf jedoch diese Lehre und betonte, Christus habe sowohl einen göttlichen wie auch einen menschlichen Willen besessen, wobei sich der menschliche nach dem göttlichen Willen gerichtet habe.
[Inhaltsverzeichnis] [ 1-Fragestellungen] [2-Konstantin] [3-Nicäa-Arius] [4-Arianer-Nicaäaner] [5-Konstantinopel] [6-Streit um Origenes] [7-Christologie] [8-Schulen] [9-Ephesus-Nestorius] [10-Chalcedon] [11-Ära Justinian] [12-Origenes] [13-Beschlüsse] [14-Zusammenfassung] [15-Anathematismen]
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Geschichte
[Inhaltsverzeichnis] [ 1-Fragestellungen] [2-Konstantin] [3-Nicäa-Arius] [4-Arianer-Nicaäaner] [5-Konstantinopel] [6-Streit um Origenes] [7-Christologie] [8-Schulen] [9-Ephesus-Nestorius] [10-Chalcedon] [11-Ära Justinian] [12-Origenes] [13-Beschlüsse] [14-Zusammenfassung] [15-Anathematismen]
Kapitel 12
Origenes und der Origenismus
Auf dem Konzil zu Konstantinopel (553) waren die Person und die Lehre des Origenes verurteilt worden. Davon betroffen war u. a. auch die Idee von der Präexistenz, der Seelenwanderung und der Reinkarnation als Bestandteil seines Weltbildes.
12.1. Das Leben des Origenes (185-254)
Origenes stammte aus einer wohlhabenden ägyptischen Familie. Seine Eltern waren — ebenso wie einige seiner Vorfahren — Christen. Seine Heimatstadt Alexandrien war damals eine Hochburg griechischer Bildung und Wissenschaft; die Christen stellten dort eine Minderheit dar. Den ersten Unterricht erhielt Origenes von seinem Vater, der ihn schon früh mit der Bibel vertraut machte. Später ging er in die Schule des Neuplatonikers Ammonius Sakkas (gest. ca. 242) zu Alexandrien, aus der auch Plotin (205—270) kam.
Im Jahre 202 starb Leonidas, der Vater des Origenes, den Märtyrertod. Als nun das väterliche Vermögen eingezogen wurde, musste er für seine Mutter und seine sechs Geschwister sorgen. Er erteilte schon in jungen Jahren Unterricht auf dem sprachlichen und geschichtlichen Sektor. Aber bald schon widmete er sich dem theologischen Unterricht.
Einigen Quellen zufolge war Origenes bereits ab 202/203 Leiter der Katechetenschule in Alexandria – als Nachfolger des Clemens aus Athen. Nach anderen Quellen ist dies so zu verstehen, dass diese Schule als Institution erst ab 217 bestand und vorher dort private Lehrtätigkeit ausgeübt wurde. Origenes hatte die Leitung der alexandrinischen Katechetenschule bis 231 inne.
Origenes lebte in strenger Askese. Er verteidigte den Glauben der Kirche gegenüber häretischen Gruppen, deren es in Alexandrien viele gab (z. B. Gnostiker).
Der Unterricht in der Katechetenschule zu Alexandrien war nicht mit dem üblichen Taufunterricht der Kirche zu vergleichen. Zur Zeit der Christenverfolgung war auch ein geregelter Unterricht nicht möglich. Es dürfte so gewesen sein, dass anfangs Heiden zu Origenes kamen, um etwas über seinen Gott zu erfahren; von ihnen starben einige als Märtyrer.
Auch später war es den gebildeten Heiden, die seinen Unterricht besuchten, völlig freigestellt, ob sie sich taufen ließen oder nicht. Auch getaufte Christen erweiterten und vertieften ihren Glauben bei Origenes. Seine Schüler lernten durch ihn auch andere Glaubensformen kennen, um sich mit ihnen auseinandersetzen zu können.
Zum Unterricht gehörten auch Mathematik, Geometrie, Astronomie und die übrigen antiken Wissenschaften. Das Ziel des ganzen Unterrichts war die Theologie. Der Weg über die weltlichen Wissenschaften sollte die Menschen lehren, durch das Kennenlernen der Schöpfung Einsichten zu gewinnen. Dazu aus seinem Werk „De principiis“ I, 1,6:
„Unsere Vernunft erkennt also, da sie Gott nicht an sich, so wie er wirklich ist, betrachten kann, aus der Pracht seiner Werke und der Schönheit seiner Geschöpfe den Vater des Alls.“(Görgemanns/Karpp S109))
Die letzte Wahrheit sollte schließlich in den Worten Christi erkannt werden. Den Unterricht für die „Fortgeschrittenen“ leitete Origenes selbst. In der Katechetenschule wurde aber auch „Elementarunterricht“ erteilt.
Bedeutendes leistete Origenes auf dem Gebiet der Bibelforschung: Er erlernte die hebräische Sprache, um dann den Urtext mit allen ihm bekannten griechischen Übersetzungen zu vergleichen (dieses Werk ist bekannt als „Hexapla“).
Origenes unternahm mehrere Reisen: nach Rom; später zum Statthalter der Provinz Arabien, der seinen Unterricht wünschte; von dort nach Palästina. Im Jahre 218 oder 222 wurde Origenes von der Mutter des Kaisers Severus Alexander, Julia Mammäa, nach Antiochien eingeladen, um ihr einiges von seiner Theologie vorzutragen.
Als Origenes, der inzwischen zu großer Berühmtheit gelangt war, im Jahre 231 wiederum nach Palästina reiste, wurde er dort zum Presbyter geweiht. Bischof Demetrius von Alexandrien – wohl eifersüchtig auf seinen Ruhm — nahm dies zum Anlass, um Origenes auf zwei ägyptischen Synoden verurteilen zu lassen; der Grund war, dass eigentlich Demetrius für diese Weihe zuständig gewesen wäre und nicht der Bischof von Jerusalem. Origenes wurde exkommuniziert und ausgewiesen. Er begab sich daraufhin nach Cäsarea, wo man das Urteil nicht anerkannte, und gründete dort eine neue Schule, die bald hohes Ansehen genoss. In Cäsarea schrieb Origenes einen Großteil seiner Werke.
Oftmals bekam Origenes den Auftrag der Kirche, häretische Gruppen wieder auf den Boden des rechten Glaubens zu bringen. Deshalb war er auch oft auf Synodalverhandlungen zugegen.
Während der Christenverfolgung unter Kaiser Decius im Jahre 249 wurde auch Origenes in den Kerker geworfen und gefoltert; er sollte verbrannt werden, erlangte jedoch die Freiheit wieder und starb im Jahre 254 entweder in Cäsarea oder in Tyrus.
12.2 Die Lehre des Origenes
Die Lehre des Origenes wird im folgenden anhand seines Werkes „De principiis“ (griech.: Peri archon) aufgezeigt, das innerhalb seiner Schriften eine besondere Stellung einnimmt und das schließlich zu seiner Verurteilung führte. Dieses Werk gilt als die erste systematische Darstellung der christlichen Glaubenslehre.
Nach einem Bericht des Hieronymus in Epistula 84,10 war dieses Werk von Origenes nur für einen kleinen Kreis gedacht; ein Freund und Gönner habe es erst später allgemein bekannt gemacht.
Zum Titel des Werkes: Er kann bedeuten „Grundlehren“ oder „Hauptlehren“, aber auch die „Ursprünge“, die „ersten Dinge“; in diesem Werk geht es also vor allem um die „Grundprinzipien des Seins“(Görgemanns/Karpp S10).
Die griechische Urfassung des Werkes ist uns nicht erhalten. Es liegt lediglich eine lateinische Übersetzung des Rufinus (s. Kapitel VI, a) vor, die im Jahre 398 entstanden ist. Diese Übersetzung entspricht jedoch nicht völlig dem Originaltext. Der Grund dafür ist darin zu suchen, dass Rufinus in den origenistischen Streitigkeiten Ende des 4. / Anfang des 5.Jahrhunderts die Lehre des Origenes verteidigte und verhindern wollte, dass sie als ketzerisch verurteilt würde. Deshalb beseitigte er die kühnsten Formulierungen. Auslassungen und Umarbeitungen kommen vor allem bei folgenden Themen vor: Trinitätslehre; Natur Christi; Präexistenz der Seele; Auferstehung; Weltende.
Rufinus betont in seiner Vorrede vor dem 1. Buch des aus 4 Büchern bestehenden Werkes, er wolle bei der Übersetzung so vorgehen wie auch Hieronymus,
a) bei der Übersetzung anderer Werke des Origenes: nämlich so, „dass der lateinische Leser nichts in ihnen findet, was von unserem Glauben abwiche“ (I Praef. Ruf. 2 in (Görgemanns/Karpp S77)). Rufinus stellt im folgenden fest, dass Bücher des Origenes an vielen Stellen von Häretikern und Böswilligen entstellt sind, und fährt fort: „Wo wir deshalb in seinen Büchern etwas fanden, was seinen eigenen rechtgläubigen Lehraussagen über die Trinität widersprach, die er an den übrigen Stellen gegeben hatte, so haben wir das als verfälscht und unzugehörig entweder ausgelassen oder nach der Norm formuliert, die wir bei ihm selbst vielfach ausgesprochen fanden.“ (I Praef. Ruf. 3).
Rufinus schreibt zwar, er habe „nichts Eigenes vorgetragen“ (Görgemanns/Karpp S79); aber sein Wunsch, den Origenes vor Anschuldigungen zu schützen, tritt so deutlich zutage, dass man mit gewissen Textänderungen rechnen muss. Dies kommt auch in seiner Vorrede zum 3. Buch zum Ausdruck.
Hieronymus fertigte eine werkgetreue Übersetzung an, die Irrlehren in „De principns“ aufdecken sollte. Diese Übersetzung ist uns nicht überliefert. Teile davon finden sich in Epistula 124 des Hieronymus an Avitus. Auch Briefe anderer Gegner des Origenes lassen teilweise Schlüsse auf den Originaltext zu, ebenso auch Schriften seiner Verteidiger.
Einige Abschnitte des griechischen Originaltextes sind in der „Philokalie“ zu finden, einer Anthologie, die zwischen 360 und 378 von Basilius dem Großen und Gregor von Nazianz herausgegeben wurde.
2.1 Einige Punkte aus “ de principiis“
- Gott ist körperlos und unermesslich.
- In welchem Maße ursprünglich der Subordinatianismus (Unterordnung des Sohnes unter den Vater; Unterordnung des Heiligen Geistes unter den Sohn) gelehrt wurde, lässt sich heute schwer sagen, da Rufinus besonders in diesem Punkt Veränderungen vorgenommen hat. Auch wenn Arius aus der „origenistischen Linken“ (s. Geschichte Kapitel VIII, 2) hervorging, so ist der Arianismus (s.Geschichte Kapitel III) doch nicht gleichzusetzen mit der Lehre des Origenes.
- Christus besitzt nur eine Natur. Der Schöpfer wird deutlich von der Schöpfung abgegrenzt.
- Die erste Schöpfung war nicht materiell.
- Es gibt Stufen innerhalb der Schöpfung: verschiedene nichtmaterielle Ebenen und die irdisch-sichtbare Welt.
- Die Engel, die der Anschauung Gottes „überdrüssig“ wurden, sind in tiefere Regionen „gefallen“; so wurden sie z. B. zu Dämonen und auch zu Menschen. Moralisch sehr tiefstehende Menschen können manchmal auch in Tierkörpern geboren werden.
- Die materielle Welt ist nur wegen des Versagens der Engel entstanden.
- Die Erde ist eine Erziehungsstätte für den Menschen.
- Jedes Schicksal ist selbstverursacht; es hat die Funktion eines „Heilmittels“ für frühere Verfehlungen. Die Lebensumstände auf der Erde bieten dem Menschen die Möglichkeit, zu lernen und sich zum Guten zu entwickeln.
- Bei jedem Schicksal muss man von der Gerechtigkeit und Güte des Schöpfers ausgehen.
- Ziel für den Menschen ist: Rückkehr in hohe (nicht-materielle) Ebenen. Allgemeines Ziel in der Schöpfung ist die „Apokatastasis“: die Rückkehr aller Dinge an den ihrer Natur entsprechenden Ort.
Für den Menschen bedeutet das: „Ähnlichwerden mit Gott“; und aus der „Ähnlichkeit“ könnte „Einheit“ werden, „weil in der Vollendung und dem Ende ,Gott alles und in allem‘ ist (vgl. l Kor. 15, 28).“(Görgemanns/Karpp S645 /III,6,1)
- Diese Apokatastasis vollzieht sich in vielen Etappen und Stufen. Für den Menschen bedeutet das: Durchwandern vieler Entwicklungsstufen.
- Aufgrund des Gesagten ergibt sich eine Art „Seelenwanderung“: Vom Engel bis zum Menschen und wieder zurück zum Engel (eventuell sogar mit einem Abstieg bis zum Tier). In dieser „Seelenwanderung“ liegt auch die Möglichkeit für den Menschen, mehrmals als Mensch auf die Erde zu kommen.
- Es gibt eine Aufeinanderfolge von Weltenzyklen, das heißt, es wird immer wieder einen „Fall“ von hohen Wesen und damit neue Weltenschöpfungen geben; wenn eine materielle Welt vergeht, wird die nächste folgen. Dabei wird immer die unsichtbare Welt vor der sichtbaren vorhanden sein.
- Origenes nennt die Seele „etwas Mittleres zwischen dem schwachen Fleisch und dem willigen Geist“ (De princ. II, 8,4). Der Geist oder „Nus“ (gnech.: „Nous“) — manchmal spricht Origenes auch von „Vernunft“ – ist das Höchste im Menschen. Nach Origenes wird der „Nus“ durch den „Fall“ zur Seele (Psyche)
- Für die Mängel der Welt sind die Geschöpfe verantwortlich, nicht der Schöpfer.
- Auch Tiere haben eine Seele.
- Auch Gestirne sind beseelt.
Wörtliche Zitate aus „De principiis“ finden sie unter „Auszüge aus de Principiis“
Eines ist bemerkenswert: Rufinus versucht, wie bereits erwähnt, das Werk „De principiis“ in einer Fassung zu bringen, die keinen Verdacht der Ketzerei auf Origenes fallen lässt. Das Werk enthält in der vorliegenden Fassung einige Stellen, die auf Präexistenz, Seelenwanderung, Reinkarnation hinweisen; diese Stellen scheinen im Jahre 398 keinen Anstoß erregt zu haben.
Die Gedankengänge des Origenes in ihrer Gesamtheit waren allerdings nur für die Gebildeten nachvollziehbar.
12.3. Die Bedeutung des Origenes
„Origenes ist ein Mann von glänzender Begabung, der größte Gelehrte und weitaus der fruchtbarste theologische Schriftsteller der vornicänischen Zeit, daher der ,Stählerne‘ bzw. .Eherne‘ genannt, der einflussreichste Theologe der griechischen Kirche überhaupt, der bedeutendste der Gesamtkirche vor Augustinus.
Basil Studer ist der Ansicht, „dass um die Wende vom vierten auf das fünfte Jahrhundert der ganze christliche Westen mit Origenes bekannt war.“ (Studer: ..Origenismus)
Was die Bedeutung des Origenes für die späteren Jahrhunderte betrifft, soll nur einiges herausgegriffen werden:
Obwohl Origenes von der Kirche zu den Ketzern gezählt wird, wurde sein Werk „De principiis“ in Klöstern abgeschrieben und verbreitete sich so von Italien nach Frankreich und Deutschland. Dabei wurden oftmals Warnungen vor seinen Irrlehren hinzugefügt.
Für Thomas von Aquin war Origenes der geistige Vater des Arianismus.
Bei Dante erinnern die „Sphärenkörper“ der Seligen an Origenes; in der „Göttlichen Komödie“ ist Origenes auch nicht bei den Ketzern zu finden.
Zwei gegensätzliche Beurteilungen aus der Reformationszeit:
Erasmus schätzte Origenes so sehr, dass er ihn „als Prediger und besten Ausleger der heiligen Schrift pries, während Luther ihn wegen seiner spekulativen und moralisierenden Theologie beiseite rückte und sich lieber zu Augustin und seiner Gnaden- und Erwählungslehre bekannte.“(Görgemanns/Karpp S29)
Zwei Beispiele aus der Zeit der Aufklärung:
„An Origenes erinnert die Welt freier Geister und die Erlösung durch allgemeine Vergeistigung in der Philosophie des Leibniz. Dieser bekannte sich ein Jahr vor seinem Tode in einem Briefe an Remond ausdrücklich zu Origenes und seiner Synthese von Christentum und Platonismus . . ,“(Görgemanns/Karpp S30)
„Auch bei Lessing läßt nicht weniges an den Alexandriner denken: die umfassende, dem Zeitalter des ,ewigen Evangeliums‘ zustrebende .Erziehung des Menschengeschlechts‘, die Neueinkörperung der Seele nach dem Tode und vielleicht auch die Vorstellung eines Weltenkreislaufs.“(Görgemanns/Karpp S43)
Die Frage, ob Origenes zu den Häretikern gerechnet werden muss oder nicht, wird bis in unsere Tage erörtert. Je nach Betrachtungsweise kommt es dabei zu gegensätzlichen Ergebnissen. Interessant ist, dass trotz der offiziellen Verurteilung des Origenes durch die Kirche (im 6. Jahrhundert) auch heute die Meinung vertreten wird, er sei „ein Mann der Kirche, der sich um Rechtgläubigkeit bemüht.“(Berner S. 78)
[Inhaltsverzeichnis] [ 1-Fragestellungen] [2-Konstantin] [3-Nicäa-Arius] [4-Arianer-Nicaäaner] [5-Konstantinopel] [6-Streit um Origenes] [7-Christologie] [8-Schulen] [9-Ephesus-Nestorius] [10-Chalcedon] [11-Ära Justinian] [12-Origenes] [13-Beschlüsse] [14-Zusammenfassung] [15-Anathematismen]
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Geschichte
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Kap 13
Beschlüsse des Edikts von 543 und des Konzils von 553 (Auszug)
13.1 Das Edikt von 543 (s. Kapitel XI, 2)Das Edikt, das Kaiser Justinian „contra Origenem“ erließ, enthält 9 Canones. Es spricht den Bann über Origenes aus und ebenso auch über alle, die die Lehre des Origenes für richtig halten oder verteidigen. Anlass für dies Edikt waren die Kämpfe der origenistischen Mönche in Palästina (Isochristen). Die Canones des Ediktes sind auf die von diesen Mönchen vertretene Lehrmeinung abgestimmt, die nicht in allen Punkten mit der ursprünglichen Lehre des Origenes übereinstimmt. Canon l verwirft die Präexistenz der Menschenseelen (damit ist auch der Gedanke an wiederholte Erdenleben verworfen). Zu Canon 9: Die deutsche Übersetzung „Wiederbringung“ entstand aus dem griechischen Wort „Apokatastasis“; dieser Begriffwurde bereits in Kapitel XII, 2 erläutert. Im lateinischen Text findet man dafür: „restitutio et redintegratio“; „restitutio“ bedeutet: Wiederherstellung, Zurückberufung, Begnadigung; „redintegratio“ bedeutet: Wiederholung. Diese beiden lateinischen Begriffe geben wieder, was „Reinkarnation“ eigentlich bedeutet, welchen Sinn sie hat. Dazu ist jedoch noch zu bemerken, dass der Begriff „Apokatastasis“ nicht identisch ist mit Reinkarnation – die Reinkarnation, also das Wiederkommen des Menschen auf die Erde (als Mensch), ist nur eine Spanne innerhalb des langen Weges der Apokatastasis, von dem Origenes spricht.Die Canones 1-9 sind in Anlage 15-1 aufgeführt. |
13.2 Die Entscheidungen gegen den Origenismus im Jahre 553Kaiser Justinian ließ den Origenismus der palästinensischen Mönche (s. Kapitel XIII,1) im Jahre 553 durch 15 Canones „contra Origenem sive Origenistas“ verdammen; dies geschah nach seiner Anweisung durch dieselbe allgemeine Synode, die etwas später die „Drei Kapitel“ verdammte (s. Kapitel XI, 4). Anmerkung des Arbeitskreises Origenes: Viele Dogmatiker sind der Überzeugung, dass dies kein gültiger Konzilsbeschluss ist, weil die Verdammungstexte vor der offiziellen Eröffnung des Konziles, ohne Anwesenheit des Papstes und nur von einem Teil der Eingeladenen auf Intervention des Kaisers Justinian beschlossen wurden. Die 15 Canones tauchen auch in der Liste der Lehramtlichen Entscheidungen nicht auf. Canon l verwirft die Präexistenz der Seelen (vgl. Kapitel XIII, 1) und enthält im griechischen Text wieder den Begriff „Apokatastasis“, diesmal ins Deutsche übersetzt mit „Wiederherstellung“. Ebenso enthält auch Canon 14 im Griechischen den Begriff „Apokatastasis“, auch wieder übersetzt mit „Wiederherstellung“.Die Canones 1-15 sind in Anlage 15-2 enthalten. |
13.3 Die Entscheidungen gegen die „Drei Kapitel“ im Jahre 553Nach Weisung des Kaisers Justinian verurteilte die 5. allgemeine Synode zu Konstantinopel die „Drei Kapitel“ in 14 Canones (s. Kapitel XI, 4). Diese Canones befassen sich mit der Trinität, der Menschwerdung Christi und speziell mit den „Drei Kapiteln“ (s. Kapitel XI, 3).In Canon 11 werden Häretiker verdammt, die bereits von den vergangenen vier Synoden verdammt worden waren; Origenes ist zum ersten Mal in diesem Canon in die Reihe der Häretiker eingefügt. Canon 11 lautet:„Wenn jemand nicht Arius, Eunomius, Macedonius, Apollinarius, Nestorius, Eutyches, Origenes mit ihren frevelhaften Schriften verdammt, und alle anderen Häretiker, die von der heiligen katholischen und apostolischen Kirche und von den bereits genannten heiligen vier Konzilien verdammt und verurteilt wurden, und die, welche an etwas Gefallen gefunden haben oder Gefallen finden, was den zuvor genannten Häretikern ähnlich ist und bis zu ihrem Tod in ihrer Gottlosigkeit verblieben sind oder verbleiben, so sei er verdammt.“45Was den Gedanken der Reinkarnation betrifft, so wird der ganze Komplex „Präexistenz — Seelenwanderung“, in dem auch die Reinkarnation (mehrmaliges Kommen auf die Erde als Mensch) enthalten ist, sowohl durch die Beschlüsse von 543 als auch von 553 verworfen.Die Canones 1-14 sind in Anlage 15-3 enthalten |
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Kapitel 14
Zusammenfassung
Das Christentum der ersten Jahrhunderte war in sich zerrissen durch den trinitarischen Streit, aus dem sich dann der christologische Streit entwickelte.
Besondere Bedeutung kam diesen Streitigkeiten seit der Zeit Konstantins des Großen hinzu: Kirche und weltliche Macht waren fortan eng verbunden, und die weltliche Macht diktierte oft im Interesse des Reiches die Lösung von Glaubensfragen in ihrem Sinne. Ab dieser Zeit wurden auch die ökumenischen Konzilien eingeführt, deren Entscheidungen für den Glauben bindend waren. Auch hier machte sich der Einfluss der Kaiser deutlich spürbar.
Die Glaubensstreitigkeiten gefährdeten die Einheit des Reiches ernsthaft, was die Kaiser zu immer strengerem Durchgreifen veranlasste. Die Entwicklung vom 1. bis zum 5. Konzil führt dies vor Augen.
Maßgeblich geprägt wurde die Theologie der ersten Jahrhunderte von der Lehre des Origenes, die u. a. auch die Präexistenz, die auch die Reinkarnation enthielt.
Seine Lehre wurde auf dem 5. ökumenischen Konzil verworfen, er selbst ab dieser Zeit zu den Ketzern gerechnet.
Dass es so weit kam, hatte zwei Gründe:
1. Kämpfe zwischen Anhängern und Gegnern seiner Lehre im palästinensischen Mönchtum hatten Unruhe im Reich gestiftet. Die Verurteilung des Origenismus sollte dies in Zukunft unterbinden.
2. Das 5. ökumenische Konzil war einberufen worden, um endgültig Frieden zwischen den Monophysiten und den Dyophysiten herzustellen; dadurch sollten auch die politischen ,Wirren, die durch Glaubenskämpfe bedingt waren, ein Ende finden. Aus diesem Grund wurde sowohl den Monophysiten als auch den Dyophysiten ein Zugeständnis gemacht. Das Zugeständnis an die Monophysiten war die Verurteilung der Drei Kapitel“; als Zugeständnis an die Dyophysiten konnte dem Kaiser die Verdammung des Origenes und seiner Lehre dienen, was sich wegen der Vorfälle in Palästina geradezu anbot.
Mit der Verurteilung und Verdammung des Origenes brach die Kirche den Stab über das Gedankengut eines ihrer bedeutendsten Theologen der ersten Jahrhunderte — die bindende Lehrmeinung der Kirche zu Origenes besitzt bis heute Gültigkeit.
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Anlagen: Anathematismen
Anlage 15-1
Die 9 Anathematismen der Synode von 543. Edikt des Kaisers Justinian gegen Origenes. Anweisung des Kaisers Justinian an den Patriarchen Menas
Auszug aus der Einleitung
nach Franz Diekamp „Die origenistischen Streitigkeiten im 6. Jahrhundert . . .“
„Von den geistigen Wesen ist ein Teil, wie er meint, in Sünde gefallen und zur Strafe in Leiber gebannt; nach dem Maße ihrer Sünden werden sie sogar zum zweiten und dritten Male und noch öfter in einem Leibe eingekerkert, um nach vollendeter Reinigung in ihren früheren sünde- und leiblosen Zustand zurückzukehren.“
wörtliche Übersetzung der Verfügungen:
Nachdem also die Dinge sich so verhalten und die von Origenes ausgesprochenen Lästerungen allen offenbar geworden sind, ziemt es sich folgendermaßen den Bann über ihn ergehen zu lassen:
1. Wenn einer sagt oder dafürhält, die Seelen der Menschen seien präexistent gewesen, insofern sie früher Intelligenzen und heilige Mächte gewesen seien; es habe sie aber Überdruss ergriffen an der Schau Gottes und sie hätten sich zum Schlechteren gewendet; darum seien sie abgekühlt von der Liebe zu Gott, hätten davon den Namen „Seelen“ bekommen und seien zur Strafe in Körper hinabgeschickt worden — so sei er im Banne.
2. Wenn einer sagt oder dafürhält, die Seele des Herrn sei präexistent gewesen und geeint mit dem Gott-Logos vor der Fleischwerdung und Geburt aus der Jungfrau — so sei er im Banne.
3. Wenn einer sagt oder dafürhält, daß zuerst der Leib unseres Herrn Jesus Christus im Schöße der heiligen Jungfrau gebildet wurde, und danach der Gott-Logos und die Seele als präexistente mit ihm vereinigt wurden — so sei er im Banne.
4. Wenn einer sagt oder dafürhält, der Gott-Logos sei allen himmlischen Ordnungen gleich geworden, indem er für die Cherubim ein Cherubim und für die Seraphim ein Seraphim wurde und schlechthin allen Mächten in der Höhe gleich wurde — so sei er im Banne.
5. Wenn einer sagt oder dafürhält, dass bei der Auferstehung die Leiber der Menschen kugelförmig erweckt werden, und wenn er nicht bekennt, dass wir aufrecht erweckt werden – so sei er im Banne.
6. Wenn einer sagt oder dafürhält, der Himmel, die Sonne, der Mond, die Sterne und die Wasser über den Himmeln seien beseelte und vernünftige Mächte – so sei er im Banne.
7. Wenn einer sagt oder dafürhält, der Herr Jesus Christus werde in der kommenden Weltzeit für die Dämonen gekreuzigt werden, so wie (er) auch für die Menschen (gekreuzigt wurde) -so sei er im Banne.
8. Wenn einer sagt, Gottes Macht sei begrenzt, und er habe (nur) so viel geschaffen, wie er umfassen und denken konnte; oder die Geschöpfe seien gleich ewig mit Gott — so sei er im Banne.
9. Wenn einer sagt oder dafürhält, die Bestrafung der Dämonen und der gottlosen Menschen sei zeitlich und werde zu irgendeiner Zeit ein Ende haben; oder es werde eine Wiederbringung von Dämonen oder gottlosen Menschen geben — so sei er im Banne.
Der Bann (sei gesprochen) über Origenes, der auch Adamantios heißt, welcher dies ausgesprochen hat, samt seinen abscheulichen und fluchwürdigen Lehren, und über jede Person, die dies denkt oder verteidigt oder in irgendeinem Punkt überhaupt zu irgendeiner Zeit dies zu vertreten wagt.
Anlage 15-2
Die 15 Anathematismen aus dem Umfeld des Konzils von Konstantinopel 553
Fünfzehn Sätze der 165 heiligen Väter des 5. heiligen Konzils in Konstantinopel.
1. Wenn einer die erdichtete Präexistenz der Seelen und ihre daraus folgende phantastische Wiederherstellung vertritt — so sei er im Banne.
2. Wenn einer sagt: Der Ursprung aller Vernunftwesen seien Intelligenzen ohne Körper und Stoff gewesen, zahllos und namenlos, und sie alle hätten eine Einheit gebildet durch die Identität der Substanz, der Kraft und Wirksamkeit und durch ihre Einung mit dem Gott-Logos und seine Erkenntnis; dann habe sie Überdruss erfasst an der Schau Gottes; sie hätten sich zum Schlechteren gewendet, je nachdem wie sehr eine jede dazu hinneigte, und hätten Körper angenommen, feinere oder dichtere, und einen Namen zugeteilt bekommen — denn es gibt Unterschiede sowohl der Namen wie auch der Körper bei den oberen Mächten —, und so seien sie teils Cherubim, teils
Seraphim, teils Fürstentümer, Gewalten, Herrschaften, Throne, Engel und was es sonst an himmlischen Ordnungen gibt, geworden und benannt worden — so sei er im Banne.
3. Wenn einer sagt: Die Sonne, der Mond und die Sterne hätten ebenfalls zu der gleichen Einheit der Vernunftwesen gehört und seien durch eine Wendung zum Schlechteren das geworden, was sie sind – so sei er im Banne.
4. Wenn einer sagt: Die Vernunftwesen, die von der Liebe zu Gott erkalteten, seien an dichtere Körper gebunden worden, wie wir sie haben, und seien Menschen genannt worden; die aber, die
zum Gipfel der Schlechtigkeit fortgeschritten seien, seien an kalte und finstere Körper gebunden worden, sie seien und hießen Dämonen oder Geister der Bosheit (vgl. Eph. 6,12) – so sei er im Banne.
5. Wenn einer sagt: Aus dem Stand der Engel und Erzengel entstehe der Stand der Seelen, aus der Seele dann der Stand der Dämonen und Menschen, aus dem menschlichen wieder Engel und Dämonen; und jede Ordnung der himmlischen Mächte sei entweder ganz aus den höheren oder aus den niederen (Wesen) entstanden oder aber aus den höheren und den niederen — so sei er im Banne.
6. Wenn einer sagt: Das Geschlecht der Dämonen sei zwiefach in Erscheinung getreten, es sei zusammengesetzt aus menschlichen Seelen und aus höheren Geistern, die hierin herabgesunken seien; nur eine einzige Intelligenz aus der ganzen angeblichen Einheit der Vernunftwesen sei unerschüttert in der Liebe und Schau Gottes geblieben, sie sei zum Christus und König aller Vernunftwesen geworden und habe die ganze körperliche Natur ins Dasein gerufen, den Himmel, die Erde und was dazwischen ist; der Kosmos habe Elemente, die schon vor seinem Dasein existiert hätten: das Trockene, Feuchte, Warme, Kalte sowie die Idee, nach der er geformt sei, und erst auf Grund davon sei er entstanden; nicht die hochheilige und wesenseine Dreifaltigkeit habe die Welt geschaffen, und deshalb sei diese geworden, sondern der sogenannte schöpferische Nus, der vor
der Welt existiert und der Welt selbst das Sein verliehen habe, habe sie als gewordene hingestellt — so sei er im Banne.
7. Wenn einer sagt: Christus, der, wie es heißt, in göttlicher Gestalt war (vgl. Phil. 2,6) und vor aller Zeit mit dem Gott-Logos geeint war, habe sich in den jüngsten Tagen entäußert (vgl. Phil.2, 7) zum Menschlichen, da er Mitleid hatte mit dem, wie sie sagen, „vielzerteilten Fall“ der Wesen, die zur gleichen Einheit gehörten; und in der Absicht, sie zurückzuführen, sei er zu allen gekommen, er habe sich in verschiedene Körper gekleidet und verschiedene Namen angenommen, er sei allen alles geworden (vgl. l Kor. 9, 22), unter Engeln ein Engel, unter Mächten eine Macht, und unter den anderen Ordnungen und Arten der Vernunftwesen habe er die zu einer jeden passende Gestalt angenommen; endlich habe er „ähnlich wie wir Fleisch und Blut erhalten“ (vgl. Hebr. 2, 14) und sei auch für die Menschen Mensch geworden — und wenn einer nicht bekennt, dass der Gott-Logos sich entäußert hat und Mensch geworden ist — so sei er im Banne.
8. Wenn einer nicht sagt, daß der Gott-Logos, welcher eines Wesens ist mit Gott dem Vater und dem heiligen Geist, welcher Fleisch geworden und Mensch geworden ist und welcher einer aus der heiligen Dreifaltigkeit ist, wahrhaft Christus sei, sondern nur in übertragenem Sinn, wegen des Nus, wie sie sagen, der sich entäußert habe, weil dieser (Nus) mit dem Gott-Logos selbst verbunden sei und im eigentlichen Sinne Christus heiße, während jener (Logos) nur von diesem (Nus) die Bezeichnung Christus und dieser von jenem die Bezeichnung Gott habe – so sei er im Banne.
9. Wenn einer sagt: Nicht der Logos Gottes, der Fleisch wurde, ein Fleisch, das beseelt war von einer vernünftigen und geistigen Seele, sei hinabgestiegen zur Unterwelt, und derselbe sei wieder zum Himmel aufgestiegen, sondern das habe ihr sogenannter Nus getan, von dem sie in gottloser Weise sagen, er sei im eigentlichen Sinne Christus geworden durch die Erkenntnis der Einheit — so sei er im Banne.
10. Wenn einer sagt: Der Auferstehungsleib des Herrn sei ätherisch und kugelförmig von Gestalt, und von der Art würden auch die Auferstehungsleiber der anderen sein; ferner werde der Herr selbst zuerst seinen Leib ablegen und ebenso alle anderen, und so werde die körperliche Natur ins Nichts vergehen – so sei er im Banne.
11. Wenn einer sagt: Das kommende Gericht bedeute eine völlige Aufhebung der Körper, und am Ende dieser erdichteten Ereignisse stehe die immaterielle Natur, und in der Zukunft werde nichts Materielles bestehen, sondern der bloße Nus — so sei er im Banne.
12. Wenn einer sagt: Die himmlischen Mächte und alle Menschen und der Teufel und die Geister der Bosheit würden sich mit dem Gott-Logos ebenso untrennbar vereinen wie jener Nus, den sie Christus nennen, der in göttlicher Gestalt war und sich, wie sie sagen, entäußerte; und es werde ein Ende des Königtums Christi geben – so sei er im Banne.
13. Wenn einer sagt: Christus werde sich in gar nichts unterscheiden von irgendeinem Vernunftwesen, sei es im Wesen, in der Erkenntnis oder der Macht und Wirksamkeit zu allem; sondern alle würden zur Rechten Gottes sein wie der Christus, den sie lehren, ebenso wie es in der von ihnen erdichteten Präexistenz war – so sei er im Banne.
14. Wenn einer sagt: Es werde eine einzige Einheit aller Vernunftwesen geben; gesondertes Dasein und zahlenmäßige Verschiedenheit werde gleichzeitig mit dem Körper aufgehoben; der Erkenntnis bezüglich der Vernunftwesen folge die Zerstörung der Welten, die Ablegung der Körper, die Aufhebung der Namen, und es werde Identität der Erkenntnis ebenso wie des Daseins geben, und in der erdichteten Wiederherstellung würden nur die bloßen Intelligenzen existieren, wie sie es auch in der Präexistenz taten, von der sie schwatzen – so sei er im Banne.
15. Wenn einer sagt: Der Zustand der Intelligenzen werde der gleiche sein wie früher, als sie noch nicht herabgestiegen oder gefallen waren, so dass der Anfang gleich dem Ende ist und das Ende das Maß des Anfangs – so sei er im Banne.
Anlage 15-3
Die 14 Anathematismen des Konzils von Konstantinopel 553 (Drei-Kapitel-Streit). Origenes wird in Punkt 11 erwähnt
Die Glaubensspaltung der Monophysiten dauerte trotz der Versammlung von Chalkedon fort. Um die getrennten Kirchen zu versöhnen, sollten einzelne der ehemaligen Hauptgegner des Monophysitismus, Theodoret von Cyrus und Ibas von Edessa, sowie der Hauptvertreter der antiochenischen Schule, Theodor von Mopsuestia, mit ihren Schriften als nestorianisch verurteilt werden. Es entwickelte sich der Streit um die „drei Kapitel“; unter diesem Namen wurden die genannten Schriftsteller und ihre Werke zusammengefasst. Die treibende Kraft, die die Verurteilung durchsetzte, war der kaiserliche Hof von Konstantinopel, der auch die Allgemeine Versammlung zu Konstantinopel, die fünfte Allgemeine Kirchenversammlung, veranlasste. Schließlich gab auch Papst Vigilius den Beschlüssen der Kirchenversammlung seine Zustimmung.
1. Wer nicht <die> eine Natur bzw. Wesenheit, <die> eine Kraft und Macht, <die> wesensgleiche Dreifaltigkeit und <die> eine Gottheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes bekennt, die in drei Hypostasen bzw. Personen angebetet wird, der sei mit dem Anathema belegt.
Denn <es ist> ein Gott und Vater, aus dem alles <ist>, ein Herr Jesus Christus, durch den alles <ist>, und ein Heiliger Geist, in dem alles <ist>.
2. Wer nicht bekennt, daß es zwei Geburten Gottes, des Wortes, gibt, die eine vor den Zeiten aus dem Vater, zeitlos und leiblos, die andere in den letzten Tagen, als er selbst aus den Himmeln herabgestiegen ist, fleischgeworden ist aus der heiligen glorreichen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria und aus ihr geboren wurde, der sei mit dem Anathema belegt.
3. Wer sagt, ein anderer sei das Wort Gottes, das Wunder gewirkt hat, und ein anderer der Christus, der gelitten hat, oder sagt, Gott, das Wort, sei mit dem aus der Frau geborenen Christus [vgl. Gal 4,4] zusammen oder sei in ihm wie einer in einem anderen, aber leugnet, daß unser Herr Jesus Christus, das Wort Gottes, das Fleisch und Mensch wurde, ein und derselbe <ist>, und daß die Wunder und die Leiden, die er freiwillig im Fleisch auf sich nahm, demselben angehören, der sei mit dem Anathema belegt.
4. Wer sagt, die Einung Gottes, des Wortes, mit dem Menschen sei geschehen der Gnade nach, oder dem Wirken, oder der Gleichheit der Ehre nach, oder der Machtvollkommenheit nach, oder durch Beziehung oder Verhältnis, oder der Kraft nach, oder aus Wohlwollen, so als ob Gott, das Wort, am Menschen Gefallen gefunden hätte, weil er ihm gut und wohl gefiel, wie Theodor in seinem Unverstand sagt; oder <wer sagt, diese Einung sei geschehen> durch die Gleichnamigkeit, so wie die Nestorianer Gott, das Wort, Jesus und Christus nennen und den Menschen getrennt als Christus und Sohn bezeichnen und so offensichtlich von zwei Personen reden, während sie nur der Bezeichnung, Ehre, Würde und Anbetung nach heuchlerisch von einer Person und von einem Christus reden,
aber leugnet, daß die Einung Gottes, des Wortes, mit dem durch eine vernunft- und verstandesbegabte Seele beseelten Leib durch Zusammensetzung oder in der Hypostase geschehen ist, wie die heiligen Väter lehrten, und daß es deswegen eine Hypostase desselben <gibt>, die der Herr Jesus Christus ist, einer der heiligen Dreifaltigkeit, der sei mit dem Anathema belegt.
Da nämlich die Einung auf vielfältige Weise verstanden werden kann, setzen sich die Anhänger der Gottlosigkeit des Apollinaris und des Eutyches für das Verschwinden dessen ein, was zusammengekommen ist, und vertreten eine Einung durch Vermischung. Die Anhänger Theodors und des Nestorius aber freuen sich an der Trennung und führen eine bezügliche Einung ein; die heilige Kirche Gottes jedoch verwirft die Gottlosigkeit beider Häresien und bekennt die Einung Gottes, des Wortes, mit dem Fleisch durch Zusammensetzung, d. h. in der Hypostase. Denn die Einung durch Zusammensetzung bewahrt im Geheimnis Christi nicht nur das, was zusammengekommen ist, unvermischt, sondern läßt auch keine Trennung zu.
5. Wer <den Ausdruck> „eine Hypostase unseres Herrn Jesus Christus“ so versteht, als ob sie die Bedeutung von vielen Hypostasen annehmen könnte, und dadurch im Geheimnis Christi zwei Hypostasen bzw. zwei Personen einzuführen versucht, und, nachdem von ihm zwei Personen eingeführt worden sind, von einer Person der Würde, Ehre und Anbetung nach spricht, wie dies Theodor und Nestorius in ihrem Unverstand geschrieben haben, und das heilige Konzil in Chalkedon verleumdet, es habe in diesem gottlosen Sinne den Ausdruck „eine Hypostase“ verwendet,
aber leugnet, daß sich das Wort Gottes in der Hypostase mit dem Fleisch geeint hat und es deshalb eine Hypostase bzw. eine Person desselben <gibt>, und daß in diesem Sinne auch das heilige Konzil in Chalkedon eine Hypostase unseres Herrn Jesus Christus bekannt hat, der sei mit dem Anathema belegt.
Denn wenn auch der eine der heiligen Dreifaltigkeit, Gott, das Wort, fleischgeworden ist, so hat die heilige Dreifaltigkeit doch keine Hinzufügung einer Person bzw. Hypostase erfahren.
6. Wer sagt, die heilige, glorreiche, allzeit jungfräuliche Maria sei im uneigentlichen Sinn, aber nicht wahrhaftig Gottesgebärerin, oder der Beziehung nach – so als ob ein bloßer Mensch aus ihr geboren worden, nicht aber Gott, das Wort, aus ihr fleischgeworden und geboren worden wäre, die Geburt des Menschen aber, wie jene sagen, sich auf Gott, das Wort, beziehe, insofern es mit dem geborenen Menschen zusammen ist -, und das heilige Konzil in Chalkedon verleumdet, es habe in diesem gottlosen, von Theodor erfundenen Sinne die Jungfrau Gottesgebärerin genannt; oder wer sie Menschengebärerin oder Christusgebärerin nennt, so als ob Christus nicht Gott wäre,
aber leugnet, dass sie im eigentlichen Sinn und wahrhaftig Gottesgebärerin ist, weil Gott, das Wort, das vor den Zeiten aus dem Vater gezeugt worden war, in den letzten Tagen aus ihr fleischgeworden ist, und dass in diesem frommen Sinn sie auch das heilige Konzil in Chalkedon als Gottesgebärerin bekannt hat, der sei mit dem Anathema belegt.
7. Wer den Ausdruck „in zwei Naturen“ nicht in dem Sinne verwendet, daß er damit bekennt, dass unser einer Herr Jesus Christus in der Gottheit und Menschheit erkannt wird, um dadurch den Unterschied der Naturen anzuzeigen, aus denen die unaussprechliche Einung unvermischt entstanden ist, ohne dass das Wort in die Natur des Fleisches verwandelt wurde oder das Fleisch in die Natur des Wortes überging (denn beides bleibt, was es seiner Natur nach ist, auch wenn die Einung in der Hypostase eingetreten ist), sondern diesen Ausdruck in Bezug auf das Geheimnis Christi im Sinne einer Trennung der Teile versteht;
oder <wer> die Zahl der Naturen in eben unserem einen Herrn Jesus Christus, dem fleischgewordenen Gott, dem Wort, bekennt und dabei den Unterschied der <Teile>, aus denen er zusammengesetzt ist, nicht bloß theoretisch betrachtet, ohne dass er <= der Unterschied> wegen der Einung aufgehoben wird (denn einer <ist> aus beiden und beide <sind> durch einen), sondern die Zahl nur dazu verwendet, um die Naturen zu trennen und zu eigenen Hypostasen zu machen, der sei mit dem Anathema belegt.
8. Wer die Ausdrücke „aus zwei Naturen, der Gottheit und der Menschheit, ist die Einung geschehen“ oder „eine fleischgewordene Natur Gottes, des Wortes“ nicht so versteht, wie auch die heiligen Väter gelehrt haben, nämlich daß aus der göttlichen und der menschlichen Natur durch die Einung in der Hypostase ein Christus vollkommen gemacht wurde, sondern aufgrund dieser Ausdrücke eine Natur bzw. Wesenheit der Gottheit und des Fleisches Christi einzuführen versucht, der sei mit dem Anathema belegt.
Wenn wir nämlich sagen, das einziggeborene Wort habe sich „in der Hypostase“ vereinigt, so sagen wir damit nicht, dass irgendeine Vermischung der Naturen untereinander stattgefunden habe, sondern verstehen es so, dass sich das Wort mit dem Fleisch vereinigt hat, indem beide <Naturen> blieben, was sie sind. Deshalb gibt es auch einen Christus, Gott und Mensch, derselbe wesensgleich dem Vater der Gottheit nach und derselbe wesensgleich uns der Menschheit nach; in gleicher Weise nämlich verwirft die Kirche Gottes sowohl die, welche das Geheimnis des göttlichen Heilsgeschehens in Christus in Teile zertrennen oder zerschneiden, als auch die, welche es vermischen, und belegt sie mit dem Anathema.
9. Wer behauptet, Christus werde in zwei Naturen angebetet, woraus zwei Anbetungen folgen, eine eigene für Gott, das Wort, und eine eigene für den Menschen;
oder wer, um das Fleisch aufzuheben oder um die Gottheit und die Menschheit zu vermischen, von einer Natur oder Wesenheit dessen, was zusammengekommen ist, daherphantasiert und in diesem Sinne Christus anbetet, aber nicht mit einer Anbetung den fleischgewordenen Gott, das Wort, mitsamt seinem ihm eigenen Fleisch anbetet, wie es die Kirche Gottes von Anfang an überliefert bekommen hat, der sei mit dem Anathema belegt.
10. Wer leugnet, daß unser im Fleisch gekreuzigter Herr Jesus Christus wahrer Gott und Herr der Herrlichkeit und einer der heiligen Dreifaltigkeit ist, der sei mit dem Anathema belegt.
11. Wer Arius, Eunomius, Macedonius, Apollinaris, Nestorius, Eutyches und Origenes mitsamt ihren gottlosen Schriften nicht mit dem Anathema belegt, und <ebenso> alle anderen Häretiker, die von der heiligen katholischen und apostolischen Kirche und den vorher genannten vier heiligen Konzilien verurteilt worden sind, sowie die, welche die gleiche Gesinnung wie die vorher genannten Häretiker hatten oder haben und bis zum Tod in ihrer Gottlosigkeit verharrten, der sei mit dem Anathema belegt.
12. Wer den gottlosen Theodor von Mopsuestia verteidigt, der sagt, ein anderer sei Gott, das Wort, und ein anderer der von Leiden der Seele und den Begierden des Fleisches belästigte Christus, der sich nach und nach von den Unvollkommeneren getrennt habe und so aufgrund des Fortschritts in den Werken besser und aufgrund seiner Lebensweise untadelig geworden sei; ferner, dass er als bloßer Mensch getauft worden sei auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, durch die Taufe die Gnade des Heiligen Geistes empfangen habe, der Annahme an Sohnes Statt für würdig befunden worden sei, gleich dem Bild eines Kaisers im Hinblick auf die Person Gottes, des Wortes, verehrt werde und erst nach der Auferstehung unveränderlich in seinen Gedanken und vollkommen sündenlos geworden sei.
Und wiederum sagte derselbe gottlose Theodor, die Einung Gottes, des Wortes, mit Christus sei so geschehen, wie der Apostel bei Mann und Frau sagt: „Sie werden zwei in einem Fleisch sein“ [Eph 5,31].
Neben seinen anderen unzähligen Gotteslästerungen hat er auch zu sagen gewagt, dass der Herr, als er nach der Auferstehung seine Jünger anhauchte und sagte: „Empfanget heiligen Geist“ [Joh 20,22], ihnen keinen heiligen Geist verlieh, sondern sie nur zeichenhaft anhauchte.
Dieser aber sagte auch, daß das Bekenntnis des Thomas bei der Betastung der Hände und der Seite des Herrn nach der Auferstehung, nämlich das „Mein Herr und mein Gott“ [Joh 20,28], von Thomas nicht in bezug auf Christus gesagt worden sei, sondern dass Thomas voller Staunen über das Wunder der Auferstehung Gott gepriesen habe, der Christus auferweckte.
Was aber noch schlimmer ist: Derselbe Theodor vergleicht auch in dem offensichtlich von ihm stammenden Kommentar zur Apostelgeschichte Christus mit Platon, Manichäus, Epikur und Markion, wenn er sagt, auf dieselbe Weise, wie jeder von ihnen, indem er seine eigene Lehre erfunden habe, seinen Schülern die Namen Platoniker, Manichäer, Epikureer und Markioniten verschafft habe, so habe auch Christus eine Lehre erfunden und die Christen würden deshalb nach ihm benannt.
Wer also den besagten durch und durch gottlosen Theodor und seine gottlosen Schriften, in denen er die angeführten und unzählige andere Lästerungen über unseren großen Gott und Erlöser Jesus Christus ausgießt, verteidigt und nicht vielmehr ihn und seine gottlosen Schriften mit dem Anathema belegt, sowie auch alle, die ihm zustimmen oder ihn auch verteidigen oder behaupten, seine Schriftauslegung sei rechtgläubig, und auch die, welche für ihn geschrieben haben und dieselbe Meinung wie er vertraten, oder auch die für ihn und seine gottlosen Schriften schreiben und dieselbe Meinung vertreten oder jemals vertreten haben und bis zum Tod in dieser Gottlosigkeit [Häresie] verharrten, der sei mit dem Anathema belegt.
13 Wer die gottlosen Schriften Theodorets verteidigt, die gegen den wahren Glauben, die erste heilige Synode in Ephesus, den unter den Heiligen <weilenden> Kyrill und seine zwölf Kapitel [vgl. DH 252-263] gerichtet sind, und alles, was er zugunsten der gottlosen Theodor und Nestorius geschrieben hat und zugunsten anderer, die dieselbe Auffassung wie die gerade genannten Theodor und Nestorius vertreten und ihnen und ihrer Gottlosigkeit zustimmen, und um ihretwillen die Lehrer der Kirche, die die Einung Gottes, des Wortes, in der Hypostase vertreten, als gottlos bezeichnet;
und wer die erwähnten gottlosen Schriften nicht mit dem Anathema belegt, <sowie> auch die, welche dieselbe Auffassung wie diese vertraten oder vertreten, aber auch alle, die gegen den rechten Glauben oder gegen den unter den Heiligen <weilenden> Kyrill und seine zwölf Kapitel geschrieben haben und in dieser Gottlosigkeit bis zum Tode verharrten, der sei mit dem Anathema belegt.
14. Wer den Brief verteidigt, von dem man sagt, er sei von Ibas an den Perser Maris geschrieben worden, und der leugnet, dass der aus der heiligen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria fleischgewordene Gott, das Wort, Mensch geworden ist, der vielmehr behauptet, ein bloßer Mensch sei aus ihr geboren worden, den er Tempel nennt, so dass Gott, das Wort, ein anderer ist als der Mensch, und den unter den Heiligen <weilenden> Kyrill, der den rechten Glauben der Christen verkündet hat, verleumdet, als sei er ein Häretiker gewesen und habe genauso wie der gottlose Apollinaris geschrieben, und die erste heilige Synode in Ephesus tadelt, so als ob sie Nestorius ohne Untersuchung verurteilt hätte; und zwar nennt derselbe gottlose Brief die zwölf Kapitel des unter den Heiligen <weilenden> Kyrill [ DH 252-263] gottlos und dem rechten Glauben entgegengesetzt und verteidigt Theodor und Nestorius und ihre gottlosen Lehren und Schriften;
wer also den besagten Brief verteidigt und ihn nicht mit dem Anathema belegt, samt denen, die ihn verteidigen und sagen, er selbst oder ein Teil von ihm sei richtig, und die zu seinen Gunsten oder <zugunsten> der darin enthaltenen Gottlosigkeiten geschrieben haben und schreiben, und die es wagen, diesen <Brief> oder die darin enthaltenen Gottlosigkeiten im Namen der heiligen Väter oder des heiligen Konzils in Chalkedon zu verteidigen, und die bis zum Tod darin verharrten, der sei mit dem Anathema belegt.
So haben wir uns also zu dem bekannt, was wir aus der göttlichen Schrift, der Lehre der heiligen Väter und den Bestimmungen der vorher genannten vier heiligen Konzilien über ein und denselben Glauben übernommen haben; wir haben aber auch die Häretiker und ihre Gottlosigkeit verurteilt, zudem aber auch diejenigen, welche die besagten Drei Kapitel verteidigten 6oder verteidigen und in ihrem Irrtum verharrten oder verharren; wer versuchen sollte, etwas dem von uns in frommer Weise Festgesetzten Gegenteiliges zu überliefern, zu lehren oder zu schreiben, der soll, wenn er Bischof ist oder zum Klerus gehört, da er etwas tut, was sich für Priester und den kirchlichen Stand nicht gehört, des bischöflichen oder geistlichen Amtes entkleidet werden; wenn er aber Mönch oder Laie ist, so soll er mit dem Anathema belegt werden.
[Inhaltsverzeichnis] [ 1-Fragestellungen] [2-Konstantin] [3-Nicäa-Arius] [4-Arianer-Nicaäaner] [5-Konstantinopel] [6-Streit um Origenes] [7-Christologie] [8-Schulen] [9-Ephesus-Nestorius] [10-Chalcedon] [11-Ära Justinian] [12-Origenes] [13-Beschlüsse] [14-Zusammenfassung] [15-Anathematismen]